piwik no script img

Archiv-Artikel

Gerster nicht vermittelbar

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement entlässt Chef der Bundesagentur für Arbeit nach Misstrauensvotum im Verwaltungsrat. Nachfolger ungeklärt. Clement für Erhalt der Agentur

BERLIN taz ■ Nach der Entlassung des Chefs der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, wollte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) gestern nicht über einen Nachfolger spekulieren. „Erstens: Ich habe keinen Kandidaten. Zweitens: Alle Kandidaten, über die ich gelesen habe, kommen nicht in Frage.“ Ein Satz – und schon war eine Reihe möglicher Nachfolger erledigt. Im Gespräch waren unter anderem: Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Telekom-Vorstand Heinz Klinkhammer und der Leiter der Berliner BA-Repräsentanz Wilhelm Schickler.

Clement machte deutlich, dass er vom nächsten BA-Chef „stärkere Distanz zur Politik“ erwarte. Nach Gerster, der zuvor SPD-Sozialminister in Rheinland-Pfalz war, wünscht sich Clement anscheinend einen Mann aus der Wirtschaft. Und er fügte hinzu, dass BA-Finanzvorstand Frank J. Weise ja aus der Wirtschaft stamme. Der ehemalige Manager führt die BA momentan kommissarisch, nachdem der BA-Verwaltungsrat am Samstag Gerster das Vertrauen entzogen hatte. Begründung: Das Vertrauensverhältnis sei „zerstört“.

Clement sprach von einer „Kampagne“, deren Drahtzieher er jedoch nicht nennen wollte. „Viele versuchen jetzt ihr Süppchen darauf zu kochen, aber das wird nicht gelingen.“ Der Umbau der BA werde „unverändert und ungeschmälert“ fortgesetzt. Mehrmals wünschte sich Clement sogar, dass der BA-Vorstand „noch einen Zacken zulegt“.

Gleichzeitig bekannte sich Clement eindeutig zur BA: „Sie ist gut und sie wird besser.“ Zuvor hatte FDP-Chef Guido Westerwelle mehrfach gefordert, die BA zu zerschlagen und Arbeitsvermittlung nur noch regional zu betreiben. Clement bissig: „Sollen wir die vier Millionen Arbeitslose zur FDP-Zentrale schicken?“

Allerdings räumte Finanzvorstand Weise gestern Probleme ein: „Wir haben es noch nicht geschafft, die Mitarbeiter zu erreichen.“ Bei einer internen Umfrage hatte sich herausgestellt, dass knapp 90 Prozent der BA-Beschäftigten nicht erkennen können, dass die Agentur eine Existenzberechtigung hat. Immerhin finden fast 50 Prozent der Arbeitsamtler ihre eigene Tätigkeit sinnvoll. Als „entscheidendes Stichwort“ nannte Weise daher: „Wir müssen Vertrauen erzeugen.“ ULRIKE HERRMANN

brennpunkt SEITE 3