: Die Unterschiede verstehen
Zur Halbzeit der „Integrationswoche“ lud die Fatih-Moschee zum Freitagsgebet auf Deutsch. Christliche Gäste fanden es dort „eben anders“, der Senat zieht eine positive Zwischenbilanz
Von Christian Jakob
Wer eine weltliche Predigt erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Imam Kilic sprach nicht über Integration und auch nicht über Barack Obama und den Nahen Osten. Der Vorsitzende des islamischen Schura-Verbandes blieb bei seiner auf Deutsch gehaltenen Freitagspredigt strikt theologisch. „Die Gewissheit des Todes im Islam“ war das Thema seiner Ansprache, die rund 350 Moslems und deutsche Gäste in der Gröpelinger Fatih-Moschee verfolgten. „Gott hat die Menschen nicht in Sinnlosigkeit erschaffen, sondern zum Wetteifern miteinander in guten Taten. Das ist der Maßstab, den er am Tag der Verantwortung an uns anlegen wird,“ sagte er.
Die Einladung zum Freitagsgebet war einer der Höhepunkte der Schura-Aktivitäten im Rahmen der „Bremer Integrationswoche“. Von den insgesamt 250 Veranstaltungen der Integrationswoche bestritt der Dachverband der islamischen Gemeinden mehr als 30, darunter auch die Tour eines „Islamobils“, um über ihren Glauben informieren.
Die Rentnerin Annemarie Gries aus dem Steintor hatte in der Zeitung von der Einladung erfahren. „Ich wollte die Unterschiede verstehen,“ sagt sie. Während der Predigt saßen sie und andere Gäste im selben Gebetsraum wie die Männer. „Die haben mich an der Tür gleich willkommen geheißen, und mir einen Stuhl hingestellt.“ Befremdet habe die Protestantin der Ritus nicht, er sei nur „eben anders“ gewesen: „Die haben keine Kollekte, es wird auch nicht gesungen und bei uns wirkt die Gemeinde mehr mit. Außerdem ist bei uns nicht so ein Kommen und Gehen.“ Die Predigt „hätte so auch in einer christlichen Kirche gehalten werden können,“ sagt sie. „Die glauben letztlich an den selben Gott, wie wir.“
Eine Ausnahme war die deutsche Predigt nicht. „Wir machen das einmal im Monat,“ sagt Kilic. Nur die Koransuren würden weltweit auf arabisch vorgetragen. „Alles andere ist immer in der Landessprache, das versteht ja sonst keiner.“ In der Fatih-Moschee werde meist türkisch gepredigt. Ideal sei das aber nicht: Moslems aus rund 20 Nationen kämen freitags in die Moschee, „viele davon können kein Türkisch.“ Die Gemeinde würde deshalb gern eine Simultanübersetzungsanlage anschaffen. „Dafür fehlt uns leider das Geld.“
An der Integrationswoche habe man sich beteiligt, um „Missverständnisse auszuräumen“ und damit „mehr miteinander statt übereinander geredet werde“. Für den Abend lud die Gemeinde deshalb zu einer Diskussion über das „vermeintliche Gewaltpotential von Religion“.
Der Senatsbeauftragte für interreligiösen Dialog, Helmut Hafner, der die Woche maßgeblich mitorganisiert hatte, zog eine positive Zwischenbilanz. „Natürlich hat sich unser Traum, dass die ganze Stadt eine Woche lang über Integration spricht, nicht erfüllt.“ Es gebe aber „eine ganze Menge wo man die Spuren sieht, in allen Stadtteilen geschieht etwas zu dem Thema.“ Das Marketing-Konzept der als „Labskaus“ beworbenen Woche habe sich „nach heftigsten Debatten ganz gut durchgesetzt“. Mit dem Titel habe man etwas „urdeutsches“, das „vielen nicht schmeckt“, mit den Thema Integration verknüpfen wollen.
Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hatte angekündigt auf dem „Integrationsgipfel“ am Freitag im Kanzleramt den Vorschlag einzubringen, künftig um den 9. November eine „nationale Integrationswoche“ abzuhalten. „Das Gedenken an die Gräueltaten der Nazizeit wäre der richtige Anlass, um für eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung zu werben,“ sagte Böhrnsen. Ein „Integrationsgipfel“ in Berlin reiche nicht aus, um „aus dem Nebeneinander von Einheimischen und Zugewanderten ein Miteinander machen.“ Bis Montag stehen noch 38 Veranstaltungen auf dem Programm, bevor die Bremer Integrationswoche mit der „Nacht der Jugend“ im Rathaus zu Ende geht.
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