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Archiv-Artikel

Feinsinniger Intellektueller, beharrlicher Machtpolitiker

In seinem Kampf gegen den Diktator Milošević verbündete sich Zoran Djindjić zeitweise auch mit den nationalistischen Kräften Serbiens

BERLIN taz ■ Es war kein Tyrannenmord. Der Ministerpräsident Serbiens war ein Mann, der leidenschaftlich für die Demokratie und den Rechtsstaat gekämpft hat. Manchmal zwar mit Mitteln, die nicht immer rechtsstaatlich waren. „In Serbien“, sagte er schon vor Jahren einmal, „musst du mit allen Tricks arbeiten, wenn du ein Ziel erreichen willst.“ Zoran Djindjić (50) war ein Intellektueller, gleichzeitig als Vorsitzender der Demokratischen Partei ein mit allen Wassern gewaschener Machtpolitiker. Er war es, der während der Milošević-Zeit immer wieder die Opposition organisierte, der beharrlich und trotz vieler Widerstände den Sturz des Diktators betrieb, der sich selbst manchmal mit dem Teufel verbündete, um dieses Ziel zu erreichen.

Im Herbst 2000 war er am Ziel seiner Träume. Die Menschenmassen in Belgrads Innenstadt belagerten das Parlament und den Regierungssitz. Milošević musste sich in seinem Haus verbarrikadieren. Und Djindjić nutzte die Gunst der Stunde. Er verhandelte mit der Spezialpolizei und dem Militär und hielt sie davon ab, gegen die Demonstranten vorzugehen. Es gelang ihm sogar, einige Einheiten davon zu überzeugen, sich auf die Seite der Revolte zu stellen. Seine Machtstellung im Oppositionsbündnis DOS war gesichert. Seinem Mitstreiter und Konkurrenten Vojislav Koštunica überließ er den repräsentativen Teil der Politik. Koštunica wurde Präsident Jugoslawiens. Djindjić aber blieb im Zentrum der Macht.

Dass er mit allen Mitteln kämpfen konnte, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Als Student in Konstanz war er ein gut aussehender, feinsinniger Intellektueller, der sich mit der Kritischen Theorie befasste und mit Habermas Kontakt hatte. Zurückgekehrt nach Belgrad, gehörte er Ende der Achtzigerjahre zu dem Kreis kritischer Geister, die auf eine Demokratisierung des kommunistischen Systems hinarbeiteten. Dass er allerdings die Versammlungsbewegung des damaligen Parteichefs Serbiens, Slobodan Milošević’, bei der die Menschen mit nationalistischen Parolen gegen die albanische Minderheit aufgehetzt wurden, als Teil einer demokratischen Öffnung begriff, wollte damals nicht so recht ins Bild passen. Doch als er sich während des Krieges in Kroatien und auch in Bosnien mit den Radikalen dort traf, so mit Karadžić 1993 in Pale, zeigte sich die andere Seite seiner Politik. Er kämpfte gegen den Despoten Milošević und verbündete sich mit allen seinen Gegnern. Um Milošević zu bekämpfen, lehnte er die radikalen Nationalisten nicht grundsätzlich ab. „Ich will nicht Teil einer Splittergruppe in der Bevölkerung sein“, sagte er, angesprochen auf die damals kleinen Gruppen der Friedensbewegung in Belgrad, 1992 in einem Gespräch mit der taz. Mit dem Nationalisten und Milošević-Gegner Vuk Drašković und der Menschenrechtlerin Vesna Pesić gelang es ihm Mitte der 90er-Jahre dann doch, die demokratische Bewegung in Serbien zu verbreitern und sich von den Nationalisten abzusetzen. Der Protestbewegung Zajedno („Zusammen“) gelang es, die Massen zu mobilisieren und dann sogar die Regierung in einigen Städten zu übernehmen.

Zoran Djindjić wurde 1997 Bürgermeister von Belgrad. Das waren Lehrjahre für später. Milošević ließ die oppositionellen Gemeinden einfach finanziell austrocknen. Einen Kompromiss mit dem Regime konnte es für die Opposition nicht geben. Djindjić hielt sich bei der Bewertung der Luftangriffe auf Belgrad zurück. Er verbrachte die Kriegszeit 1999 in Montenegro unter der schützenden Hand des montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanović. Für beide war klar: Milošević musste stürzen.

Der vielsprachige und eloquente Zoran Djindjić erschien dem Westen als eine demokratische Lichtgestalt, die es endlich ermöglichen sollte, das Land in die Völkergemeinschaft zurückzuführen. So überschlug man sich, ihn als Reformer zu begrüßen. In der Tat hat er zuweilen bestens kooperiert. Und es war Djindjić, der Milošević gegen den Willen Koštunicas und der Mehrheit der Gesellschaft nach Den Haag schickte.

Doch die Hoffnungen auf schnelle und nachhaltige Hilfe durch den Westen wurde enttäuscht. Zwar hat Serbien seither ein kleines Wirtschaftswunder erlebt, von dem eine neue Mittelschicht profitierte, aber für die Mehrheit der Bevölkerung sank der Lebensstandard. Djindjić versuchte daraufhin, seine Popularität mit nationalen Themen zu steigern. So schlug er die Teilung des Kosovo und Bosniens vor. Das wäre auch eine Art Großserbien. Aber ein bisschen kleiner, als die radikalen Nationalisten es wollen. ERICH RATHFELDER