: Streik statt Knöllchen
Keine Immatrikulation, keine Strafmandate: Warnstreiks im öffentlichen Dienst legen einzelne Behörden lahm. Nächste Woche weitere Tarifverhandlungen. Keine Einigung vorm Arbeitsgericht
von RICHARD ROTHER
Eifrige Studenten, die sich an der FU Berlin für das Sommersemester anmelden wollten, mussten sich gestern erst einmal gedulden. „Sie können auch morgen oder übermorgen wiederommen“, so die freundliche Auskunft der Streikposten der Gewerkschaften. Wer von weit angereist kam oder unbedingt darauf bestand, konnte sich aber auch trotz des Warnstreiks zurückmelden. Knapp 30 Studenten machten davon nach Gewerkschaftsangaben Gebrauch – üblich wären rund 500 gewesen.
Der erste Warnstreik in der laufenden Tarifauseinandersetzung im Berliner öffentlichen Dienst blieb allerdings nicht auf die Dahlemer Universität beschränkt. Neben den Beschäftigten des Immatrikulationsbüros beteiligten sich auch Politessen, Mitarbeiter in Meldestellen, Bürgerbüros und einer Berufsschule in Spandau an dem zeitweisen Ausstand. Mehrere hundert Menschen demonstrierten bei der zentralen Kundgebung gegen die Sparpläne des rot-roten Senats.
Die für Berlin separaten Tarifverhandlungen waren notwendig geworden, nachdem der Senat aus den öffentlichen Arbeitgeberverbänden ausgetreten war, um die bundesweiten Tariferhöhungen nicht übernehmen zu müssen. Stattdessen will der Senat bis zu 500 Millionen Euro jährlich bei den Personalkosten sparen, um den Haushalt der mit 47 Milliarden Euro verschuldeten Stadt zu entlasten. Die Tarifverhandlungen werden in der nächsten Woche fortgesetzt.
Der Tarifkonflikt beschäftigte gestern auch das Berliner Arbeitsgericht. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hatte Verbandsklage gegen den „Blitzaustritt“ Berlins aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) zum 8. Januar eingereicht, um die Übernahme der bundesweit geltenden Tarifsteigerungen in Berlin zu erzwingen. Eine gütliche Einigung scheiterte gestern jedoch erwartungsgemäß, die nächste Verhandlung findet am 8. Mai statt. Die nach einem Urteil möglichen Revisionsverfahren könnten sich bis zu eineinhalb Jahre hinziehen. Verliert das Land Berlin, drohen Lohnnachzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe.
In dem Verfahren geht es vor allem darum, ob der Austritt Berlins aus dem KAV zum 8. Januar rechtlich zulässig war. Ursprünglich hatte Berlin im Oktober einen fristgemäßen Austritt aus dem Verband zum 31. Januar beschlossen. Auf einer außerordentlichen KAV-Vorstandssitzung am 7. Januar wurde dann der vorgezogene Ausstritt beschlossen. Hintergrund dafür waren offenbar die laufenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Als Mitglied des öffentlichen Arbeitgeberverbandes wäre Berlin nämlich verpflichtet gewesen, einen vor dem dem 31. Januar rechtsgültig zustande gekommenen Tarifvertrag zu übernehmen. Dieser würde trotz Austritts nachwirken, bis ein neuer – bundesweiter – Vertrag abgeschlossen würde.
Nach Ansicht von Ver.di-Anwalt Henner Wolter ist der Austrittsbeschluss ungültig. Ein Arbeitgeberverband sei kein „Hühnerzüchterverein“, den man ohne wichtigen Grund fristlos verlassen könne. KAV-Anwalt Roland Gastell sagte dagegen, es handele sich nicht um einen fristlosen Austritt, sondern um einen ordnungsgemäßen Austritt bei kurzer Frist. Die Gewerkschaft habe „keinen Anspruch darauf, dass überhaupt Arbeitgeberverbände existierten“.