fünf ringe für deutschland
: Hamburg hat die Nase vorn

Wasser für die Spiele

Irgendwie hätte man sich das von vornherein denken können, natürlich: Wenn Deutschland die Olympischen Spiele ausrichten will, dann kann es das auch, schließlich ist der gemeine Deutsche an sich ein Organisationstalent, um nicht zu sagen: -genie. Olympia? Ein Klacks. Könnte quasi in jedem deutschen Städtchen stattfinden, zumal wenn noch neun Jahre Zeit sind, die Sause im Zeichen der Ringe ordnungsgemäß vorzubereiten. In etwa so muss man wohl deuten, was die Evaluierungskommission des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) zusammengetragen und gestern Nachmittag in Frankfurt endlich veröffentlicht hat. Fünf Kandidaten – Hamburg, Leipzig, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart – bewerben sich ja, wie sich mittlerweile herumgesprochen haben sollte, für die Spiele 2012, alle fünf, so hat es Dieter Graf Landsberg-Velen, der Vorsitzende der Evaluierungskommission nun formuliert, sind prinzipiell in der Lage, „organisatorisch und technisch Olympische Spiele ausrichten zu können“. Natürlich. Was auch sonst? Anderes hätte man sowieso nie zu denken gewagt.

Das Dumme daran: Manche Städte können es sogar noch besser als andere, auch das hat der Evaluierungsbericht nun zu Tage gefördert. Zwei Monate haben die Evaluierer die Kandidaten unter die Lupe genommen und Punkte verteilt in 16 verschiedenen Kategorien. „Das ist ein Gutachten, mit dem sich elf Experten sehr viel Arbeit gemacht haben“, fasst Dr. Klaus Steinbach, der NOK-Präsident, Sinn und Zweck des Werkes zusammen. Und auch wenn der Bericht auf eine Gesamtnote am Ende verzichtet und es bei den je 16 Einzelbewertungen belässt, wirft sein Ergebnis nun doch eine erste Rangliste ab, man muss ja nur eins und eins zusammenzählen. Diese Rangliste lautet: Hamburg kann’s deutlich am besten, gefolgt von Leipzig, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart. Die große Überraschung stellt auch dies nicht dar.

Dass damit eine Vorentscheidung gefallen ist, wen NOK und damit Deutschland letztendlich ins Rennen schicken werden, wird von Steinbach („Jede Stadt hat noch eine Chance“), dem deutschen Herrn der Ringe, zwar nach wie vor hartnäckig negiert, so ganz glauben will ihm das aber keiner, selbst die Verantwortlichen der Bewerberstädte nicht. Als „eine ganz wichtige Hilfe für jedes einzelne NOK-Mitglied“, sieht ihn beispielsweise Jürgen Weiss, Geschäftsführer der Frankfurter Bewerbungs GmbH, auch sein Hamburger Kollege Horst Meyer glaubt, „dass dem Bericht eine hohe Bedeutung beigemessen wird“.

Wie aber geht es nun weiter mit Deutschland und Olympia? Am 12. April entscheidet das NOK auf seiner Mitgliederversammlung in München endgültig, welche Stadt es ins Rennen schicken möchte, so viel steht fest. Die Frage wird nur sein, wie die Kandidaten-Städte nun, nachdem ein erstes Zwischenzeugnis vorliegt und die Fronten erstmals geklärt sind, damit und – vor allem – miteinander umgehen. Es könnten, wenn es ganz dicke kommt, die Wochen des Unfriedens werden, des unerbittlichen Konkurrenzkampfes, der Schlammschlachten, vielleicht sogar der Korruption, Stimmen lassen sich schließlich auch kaufen, der Sport hat das schon ausreichend bewiesen. Zumal es für die Bewerber um mehr geht als nur um die Ausrichtung des weltgrößten Sportfestes: Gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen scheint Olympia den Städten die Chance zu bieten, unter tatkräftiger Millionen-Mithilfe von Bund und jeweiligem Land Projekte auf den Weg zu bringen, an die ohne die Ringe noch nicht einmal zu denken wäre. Die Entwicklung Münchens im Rahmen der Spiele 1972 dient da als leuchtendes Beispiel.

Nicht ganz von der Hand zu weisen bleibt freilich auch die Möglichkeit, dass die Entscheidung Mitte April von Eigeninteresse geprägt sein wird, schließlich wählen die Präsidenten der 32 olympischen Fachverbände mit, sie verfügen über 70 Prozent der insgesamt 137 Stimmen. Das hört sich zunächst hochdemokratisch an, birgt aber auch Gefahr: Die einzelnen Verbände könnten für jene Stadt oder Region stimmen, in der sie oder ihre jeweiligen Leistungszentren angesiedelt sind, nicht viel mehr als Eigennutz im Sinn. Vor allem Düsseldorf, so heißt es, könnte von solchem Denken profitieren. „Präsidenten, die nach regionalen Gesichtspunkten entscheiden oder danach, wo ihre Sportart am besten bedient wird, sind Hornochsen“, hat Graf Landsberg-Velen deshalb bereits festgestellt; die Gefahr, dass dem prinzipiell so sein könnte, sieht er demnach schon auch.

Vielleicht weist NOK-Präsident Steinbach auch deshalb seit längerem und mit der Geduld eines Engels darauf hin, dass es ja nicht nur darum geht, irgendeine deutsche Stadt zu küren, sondern eine, die auch den Vergleich mit der internationalen Konkurrenz nicht zu scheuen braucht, beispielsweise mit New York oder Madrid. Im Juli 2005 wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Entscheidung treffen. Schon jetzt fordert Steinbach: „Wir müssen weltmännisch entscheiden, sonst werden wir die Spiele nie nach Deutschland holen.“ Hamburg hat auch hier die Nase vorne. FRANK KETTERER