„Hier muss der Gesetzgeber nachbessern“

Die Kommissionen könnten nur Empfehlungen abgeben, meint der Kölner Staatsrechtler Professor Wolfram Höfling

taz: Können Lebendspendekommissionen Geschäfte mit Nieren und Leberstücken überhaupt verhindern?

Wolfram Höfling: Nehmen sie ihren gesetzlichen Auftrag ernst, so können sie durchaus eine sinnvolle Kontrolle ausüben, auch wenn sich nicht jeder Missbrauch ausschließen lässt. Was indes aus dem Zuständigkeitsbereich der Kommissionen bei den Ärztekammern Nordrhein und Thüringen bekannt geworden ist, lässt doch gewisse Zweifel an der angemessenen und effektiven Aufgabenerfüllung aufkommen.

Wie verbindlich sind die Voten der Kommissionen?

Ihre Gutachten haben lediglich empfehlenden Charakter. Sie sollen für den transplantierenden Arzt eine zusätzliche verfahrensrechtliche Sicherheit bieten. Die Letztverantwortung, ob operiert wird oder nicht, verbleibt aber beim Transplanteur.

Mit welchen Konsequenzen muss eine Kommission rechnen, die ein Geschäft mit Organen übersehen haben sollte?

Sollte sie vorwerfbar nicht erkannt haben, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Spendeentscheidung nicht vorlagen, müssen die Ärztekammern und die aufsichtführenden Gesundheitsministerien handeln und die Kommissionsmitglieder abberufen.

Ist denn für die Öffentlichkeit transparent genug, wie die Kommissionen entscheiden?

Ihre Arbeit bedarf sicherlich einer genaueren empirischen Analyse. Dies setzt voraus, dass sie anonymisierte Informationen über ihre Beratungen veröffentlichen. Dabei müssen die Kommissionen offen legen, woher die jeweiligen Lebendspender und -empfänger kommen, ob sie im In- oder Ausland wohnen und ob die Empfänger – wie die Bundesärztekammer es ja verlangt – tatsächlich auf der Warteliste und bei der Organvermittlungszentrale Eurotransplant registriert waren.

Die Geschäftsführung der Kommissionen obliegt den Ärztekammern. Ist sie dort gut aufgehoben oder sehen Sie Bedarf, hier etwas zu ändern?

Erwägenswert ist eine stärkere Abkoppelung der Kommissionen von der ärztlichen Selbstverwaltung. Damit spreche ich eine ganz grundsätzliche Problematik an, nämlich die im Transplantationsgesetz durchgehend erkennbare Tendenz, dass Entscheidungskompetenzen über buchstäblich existenzielle Fragen vom Parlament an die Ärzteschaft delegiert werden. Dies stößt zunehmend auf verfassungsrechtliche Kritik. Hier muss der Gesetzgeber in etlichen Punkten nachbessern.

Zum Beispiel?

Es ist sehr fragwürdig, dass das Gesetz die Bundesärztekammer ermächtigt, allgemeinverbindliche Richtlinien zur Aufnahme in die Warteliste und zur Verteilung von Organen aufzustellen.

INTERVIEW: K.-P. GÖRLITZER