: Geld für Nieren
In Israel ist es schon fast die Regel, dass Lebendspender bezahlt werden. In Essen ermittelt jetzt der Staatsanwalt
Die Hadassah-Universitätsklinik in Jerusalem gilt als gute Adresse für transplantierte PatientInnen. Doch nicht alle, die dort medizinisch versorgt werden, sind auch in Israel operiert worden: Jeder vierte, berichtete Hadassah-Transplantationskoordinator Michael Friedlaender im Fachblatt The Lancet, habe die fremde Niere im Ausland gekauft, zum Beispiel in Indien, Irak, USA, Osteuropa oder der Türkei. Solche Geschäfte finden israelische Krankenkassen offensichtlich in Ordnung, sie erstatten jedenfalls pauschal einen Teil der Transplantationskosten.
An der Hadassah-Universität lehrt, nebenher, auch ein renommierter Professor aus Deutschland: Christoph E. Broelsch, hauptberuflich Chef des Transplantationszentrums der Ruhrmetropole Essen. Sein Kontakt nach Israel bahnte wohl den Weg für einen ungewöhnlichen Tourismus: Über zwanzig israelische Staatsbürger reisten bis Ende 2001 nach Essen, um sich im dortigen Uniklinikum Körperteile gesunder Spender implantieren zu lassen.
Drei dieser Nierenverpflanzungen kommen der Essener Staatsanwaltschaft inzwischen verdächtig vor; sie ermittelt, ob die israelischen Organempfänger Geld an die osteuropäischen „Spender“ und an einen Vermittler aus Israel gezahlt haben oder nicht. Die „Lebendspendekommission“ bei der Ärztekammer Nordrhein habe zuvor alle drei Fälle begutachtet, ohne dabei Anhaltspunkte für verbotenen Organhandel zu finden, sagt die Essener Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen.
Dass die Strafverfolger trotz der Freibriefe der Kommission nachhaken, liegt an diversen Presseberichten und einem anonymen Schreiben, das sie Anfang 2002 erreichte. Darin wurde – offenbar von MitarbeiterInnen des Klinikums – ein weiterer Fall angezeigt, den die Essener Staatsanwaltschaft seit nunmehr einem Jahr aufzuklären versucht, Verdacht: Organhandel.
Im November 2001 erschienen ein israelischer Nierenpatient und ein spendewilliger Mann aus Moldawien im Transplantationszentrum Essen. Gutachter der Universität lehnten die gewünschte Operation jedoch ab; sie bezweifelten, dass die Männer verwandt seien und zwischen ihnen jene enge emotionale Bindung bestehe, die das Transplantationsgesetz verlangt. Anschließend reisten die beiden nach Jena. Dort hatten sie mehr Erfolg: Die – damals noch provisorische – Thüringer Lebendspendekommission hatte keine Einwände; ihr Vorsitzender Andreas Teubner beteuert heute, ihm sei das Essener Votum nicht bekannt gewesen. Anfang Dezember 2001 wurde im Jenaer Klinikum eine Niere des Moldawiers auf den Israeli übertragen, wobei einer der Operateure eigens aus Essen angereist war: Professor Broelsch.
Der Essener Staatsanwaltschaft liegen laut ihrer Sprecherin Matthiesen bisher keine Belege dafür vor, dass die beteiligten Transplanteure von Zahlungen für die verpflanzten Nieren gewusst hätten. In allen vier Fällen werde gegen Spender, Empfänger und Vermittler ermittelt, nicht aber gegen Ärzte aus Essen und Jena.
Bis die Fälle aufgeklärt sind, werden Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen. „Wir haben das Problem“, sagt Matthiesen, „im Wege der Rechtshilfe in Israel und beispielsweise auch in Moldawien zu ermitteln.“
KLAUS-PETER GÖRLITZER