Nicht jeder darf Organe spenden

Vor jeder Lebendspende muss eine Kommission überprüfen, ob Spender und Empfänger sich nahe stehen und ob die Organspende auch freiwillig erfolgt. Eine Auswertung zeigt, dass diese Überprüfungen sehr unterschiedlich erfolgen

von KLAUS-PETER GÖRLITZER

Lässt sich ein Gesunder eine Niere oder ein Stück seiner Leber herausoperieren, um es einem Schwerkranken einpflanzen zu lassen, nennen Mediziner dies „Lebendorganspende“. Die Operation ist nicht ohne Risiko und laut Transplantationsgesetz (TPG) nur erlaubt, wenn sich Geber und Empfänger des Organs „in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen“.

Ob die „Spende“ tatsächlich freiwillig und ohne Entgelt erfolgt, sollen unabhängige Kommissionen prüfen. Sie wurden bei den Landesärztekammern eingerichtet und bestehen aus mindestens je einem Juristen, Mediziner und Psychologen.

Einblicke in die Arbeit gewährten Günter Hopf und Robert D. Schäfer von der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo). „Bezüglich tatsächlicher Anhaltspunkte verbotenen Handeltreibens stieß die Kommission an die Grenzen ihrer Möglichkeiten“, schrieben sie im Rheinischen Ärzteblatt. „Diese vom Gesetzgeber gewollte Überprüfung im Laufe eines Gespräches mit den Betroffenen kann sich nur auf gezielte Fragen beschränken, deren wahre Beantwortung nicht überprüft werden kann.“

Diese Art Offenbarungseid, veröffentlicht im Mai 2001, bewegte Politik und Aufsichtsbehörden anscheinend nicht. Erkennbares Interesse zeigte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium erst, nachdem Die Zeit im Dezember 2002 eine Aussage des israelischen Krankenkassenmanagers Alfred Rosenfeld publiziert hatte. Rosenfeld sagte laut Zeit, binnen zwei Jahren seien in Essen „sieben gekaufte Nieren“ transplantiert worden; inzwischen ermittelt die Essener Staatsanwaltschaft.

Kurz vor Weihnachten bat dann das Ministerium die ÄkNo diskret, „über die Angelegenheit zu berichten“ – was nahe liegt, denn die ÄkNo führt ja die Kommissionsgeschäfte. Ob es eine Antwort gibt, will die Aufsichtsbehörde nicht mitteilen – „wegen der laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen“, sagt Ministeriumssprecher Kai von Schoenebeck.

Auf Fragen der taz antwortete die ÄkNo bisher ziemlich reserviert. Sie teilte zwar mit, der „Anteil fremdsprachiger Personen“ an den Beratungsgesprächen der NRW-Kommission liege „bei circa einem Fünftel bis einem Drittel“. Wie viele der angehörten Spender zum Zeitpunkt der Organentnahme ihren Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik hatten, will die ÄkNo aber nicht verraten.

„Listen über die Wohnsitze einzelner spendewilliger Personen liegen der Kommission nicht vor“, schreibt ihr Geschäftsführer und Ärzteblatt-Autor Günter Hopf. Solche Geheimnistuerei macht es unmöglich nachzuvollziehen, wie viele Organspender aus armen Regionen wie Indien oder Osteuropa bei der NRW-Kommission vorstellig geworden sind.

Auch über die Herkunft der Empfänger will die ÄkNo nichts sagen. Und es gibt weitere Informationslücken: „Einzelne Wartelistenzeiten“, schreibt Hopf, „liegen der Kommission nicht vor.“ Das überrascht. Denn laut TPG ist eine Lebendspende nur zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Organentnahme kein geeignetes Körperteil eines „Hirntoten“ zur Verfügung steht. Deshalb verlangt die Bundesärztekammer (BÄK) seit Dezember 2000, dass Interessenten „rechtzeitig“ auf die Warteliste im Transplantationszentrum aufgenommen und bei der europäischen Organvermittlungsstelle Eurotransplant (ET) im niederländischen Leiden gemeldet sein müssen.

Wer in Israel lebt, hat eigentlich keine Chance. „Nieren vermittelt Eurotransplant nur an Patienten, die im ET-Bereich wohnen“, sagt der Medizinische ET-Direktor Guido Persijn. ET ist zuständig für die Beneluxstaaten sowie für Österreich, Slowenien und Deutschland.

Bis Ende 2001 hat die NRW-Kommission nach eigener Darstellung 294 Anträge zur Lebendorganspende beraten und 3 davon nicht befürwortet. Damit absolvierte sie mit Abstand die meisten Anhörungen im Bundesgebiet; die fast 99-prozentige Erfolgsquote für die Antragsteller erscheint repräsentativ. Jedenfalls steht in einer internen, tabellarischen BÄK-Übersicht, dass die 18 Lebendspendekommissionen in Deutschland bis Ende 2001 rund 1.000 Anträge begutachtet hätten; etwa 1 Prozent sei abgelehnt worden.

Die Erhebung der BÄK zeigt auch, dass die Gremien ihre ehrenamtliche Arbeit durchaus unterschiedlich wahrnehmen. So sollen die Anhörungen in Nordrhein-Westfalen gewöhnlich 20 Minuten, bei Mitwirken eines Dolmetschers doppelt so lange dauern. Die bayerischen Gutachter tagen wohl am längsten, pro Fall sollen sie sich zwei bis drei Stunden Zeit nehmen. Die meisten Kommissionen beschränken sich laut BÄK-Erhebung im Regelfall darauf, den Spendewilligen zu befragen. Nur jede dritte Kommission gab an, stets auch den potenziellen Empfänger persönlich zum Gespräch zu laden.