Kleinster gemeinsamer Nenner

CDU-Chefin Angela Merkel und Edmund Stoiber sind sich einig: Eine große Steuerreform muss her. Den Gesetzentwurf dafür soll aber die Regierung machen

BERLIN taz ■ Angela Merkel hat sich gestern gelangweilt. Der CDU-Chefin waren die Fragen, die ihr nach der Präsidiumssitzung ihrer Partei zur Steuerpolitik gestellt wurden, nicht originell genug. „Wir drehen uns ja im Kreis“, stellte Merkel nach einer halben Stunde fest und bedeutete ihrem Pressesprecher, dass sie nun schleunigst gehen wollte. Es hatte niemand etwas dagegen.

Das Sich-im-Kreis-Drehen lag nämlich weniger an den Fragen der Journalisten, sondern an der mangelnden Auskunftsbereitschaft Merkels, die sich auf Floskeln beschränkte. Ein „radikaler Neuanfang“, ja ein „Durchbruch“ sei der Kompromiss zur Steuerpolitik, den die Vorsitzenden von CDU und CSU, also sie selbst und Edmund Stoiber, am Sonntagabend erzielt hatten. Deutschland brauche einen „völligen Neuansatz bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer“, heißt es in dem gemeinsamen Papier.

Im Rahmen der großen Vereinfachungsreform will die Union das Volk mit einer Steuerentlastung von 10 Milliarden Euro beglücken. Um das Ganze finanzieren zu können, fordern CDU und CSU „deutliche Einsparungen im Subventionsbereich“. Doch wer Genaueres wissen wollte, wurde auf den 7. März vertröstet. „Das, was jetzt noch zu klären ist, überlassen wir den Experten“, sagte Merkel und sprach von „Details“.

In Wirklichkeit aber beginnt der interne Kampf in der Union erst richtig. Auf die Experten Friedrich Merz (CDU) und Kurt Faltlhauser (CSU) kommt eine Menge Arbeit zu. Denn die strittigen Punkte wurden bei der „Einigung“ vorsichtshalber ausgeklammert. Soll die Pendlerpauschale wegfallen, an der die CSU bislang eisern festhält? Ist mit dem Subventionsabbau auch die Eigenheimzulage gemeint, die dem baden-württembergischen Häuslebauer Erwin Teufel wichtig ist? Merkels Antwort: Das klären die Experten. Soll es einen Stufentarif im Steuerrecht geben, wie ihn Merz favorisiert? Merkels Antwort: siehe oben.

Der CDU-Chefin genügte gestern das „Signal der Einigkeit“ zwischen den Schwesterparteien – und das Signal, dass die Union nun doch bereits in diesem Jahr eine große Steuerreform anstrebe.

So gesehen ist die nun gefundene Linie ein Rückzieher vom Rückzieher. Als Merkel vor kurzem öffentlich Zweifel angemeldet hatte, ob es schon 2004 zu einer Steuerreform kommen könne, waren die Reaktionen ziemlich unangenehm für sie. Aus der eigenen Partei wurden Stimmen laut, die der Chefin mangelnde Entschlussfreudigkeit vorwarfen. Die Steuersenkungszeitung Bild schimpfte schon über die nächste „Steuer-Lüge“, weil die Union ihre eigenen Versprechen wohl doch nicht so ernst meine – und lieber auf den Wahlkampf 2006 warte, um dann erst mit einer großen, tollen, radikalen Reform aufzutrumpfen.

Nun also wieder zurück auf null: Die Union sagt, sie sei schon 2004 zu einer umfassenden Steuerreform bereit. Theoretisch. Praktisch entscheiden sich CDU und CSU fürs Nichtstun. Einen Gesetzentwurf, nein, den werde man nicht einbringen, sagte Merkel. Das sei Sache der Regierung. Da die bekanntlich gar nicht will, glaubt nicht nur FDP-Chef Guido Westerwelle: „Jetzt wird die Reform auf die lange Bank geschoben.“ Über die Haltung der Union sei er „sehr enttäuscht“. Unverbindliche Eckpunkte reichten nicht aus, um die Regierung zum Handeln zu zwingen. LUKAS WALLRAFF