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Archiv-Artikel

Harter Aufstieg

In einem kräftezehrenden Spiel gewinnt der Hamburger SV unverdient mit 2 : 1 gegen Borussia Dortmund. HSV-Trainer Martin Jol ist zufrieden. Aber in der Gruppe ist die Stimmung nicht gut

von ROGER REPPLINGER

So eine Saison ist ja auch eine Reise. Die Reisegruppe startet, gut organisiert, mit Kompass und ordentlicher Verpflegung im Rucksack. Die roten Socken des Reiseleiters sitzen stramm auf den behaarten Waden.

Unterwegs wird es mühsam. Irgendwann. Dann singt keiner mehr, es geht den verdammten Berg hoch, des Reiseleiters rote Socken sind heruntergerutscht, es regnet, und die Füße tun weh. Genau dort ist der Hamburger SV jetzt und gewinnt das Heimspiel gegen Borussia Dortmund unverdient mit 2 : 1 (2 : 0).

Der defensive Mittelfeldspieler Nigel de Jong ist noch nicht gesund. Der HSV geht auch ohne seine Stammaußenverteidiger Guy Demel, der wegen einer Oberschenkelprellung ausfällt, und Thimothée Atouba ins Spiel. Atoubas gerissene Achillessehne wurde operiert, er will vor Ende der Saison wieder spielen, der HSV hat ihm eine Vertragsverlängerung angeboten.

Rechts verteidigt Jérôme Boateng, links Dennis Aogo, im defensiven Mittelfeld spielen Collin Benjamin und Alex Silva, die beide auf ihre unterschiedliche Art doch eines gemeinsam haben: die Unsicherheit, die sie verbreiten. Benjamin, weil ihm technisch-taktisch manches fehlt. Silva, weil er ständig seinen Mitspielern Anweisungen gibt. Die ignorieren ihn.

In der neunten Minute dreht Piotr Trochowski einen Eckball herein, Robert Kovač kommt zum Kopfball nicht hoch, weil ihm Mladen Petrić einen Stoß versetzt. Nur einen kleinen, aber das reicht. Petrić köpft ins Tor.

Der HSV kommt in Schwung, es geht leicht, ein schöner Weg. Doch ein Schuss von BVB-Innenverteidiger Neven Subotić, dessen Flugbahn von HSV-Torwart Frank Rost kaum vorauszusehen ist, zeigt, dass Dortmund nicht klein beigeben will (23.).

Die Vorentscheidung fällt, als Joris Mathijsen den Ball weit nach vorne schlägt, Petrić per Kopf verlängert und Olić läuft. Der bekommt den Ball nur deshalb, weil er schon losgelaufen ist, während der Ball zu Petrić unterwegs ist. Olić ist der Typ von Spieler, der losläuft, wenn er nur die kleinste Chance sieht. Er macht das 2 : 0 (33.).

„Wir haben durch Unachtsamkeiten zwei Tore hergegeben“, schimpft BVB-Spieler Tamás Hajnal, „der HSV hatte keine einzige herausgespielte Torchance. In der zweiten Halbzeit haben wir auf ein Tor gespielt.“

Tatsächlich, je länger das Spiel dauert, desto größer die Überlegenheit des BVB. Die Hamburger lassen sich einschnüren. Bastian Reinhardt sieht es so: „Ich hätte mir von den Offensivspielern gewünscht, dass sie für mehr Entlastung sorgen.“ Aber es gab keine Entlastung. Vor allem nicht nach dem Anschlusstreffer.

Owomoyela flankt und Diego Klimowicz verlängert den Ball zu Hajnal, der das Tor macht (48.). „Danach“, sagt Reinhardt, „war nur noch Kampf.“ Das Spiel des HSV erinnert nun an die Zeit unter Hub Stevens. Tief hinten drin stehen, den Ball nach vorn hauen. So reisen Leute, die am liebsten zu Hause sind.

Dortmund schafft, trotz klarer Überlegenheit den Ausgleich nicht. Eine Minute nach Spielende bekommt Robert Kovać von Schiedsrichter Jochen Drees eine rote Karte. „Du machst dir doch hier ins Hemd, gegen die Heimmannschaft zu pfeifen“, habe er zu Drees gesagt, sagt Kovać. Drees, ein Akademiker, nennt dies: „Eine meiner Entscheidung in unangemessener Weise kritisieren“ – und zeigt Rot.

Der HSV hat nach zwölf Spielen 23 Punkte und ein Drittel der Reise hinter sich. „Ich bin zufrieden“, sagt Trainer Jol und ist erstaunt darüber, dass die Stimmung in der Reisegruppe nicht gut ist.