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Archiv-Artikel

Game over ohne Turtles

800 E-Sportler aus aller Welt treffen bei den World Cyber Games in Köln aufeinander. Auch ein „Counter-Strike“-Weltmeister wird gekürt. Die deutschen Computerspieler haben da aber keine Chance

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Das Publikum tobt, doch WE.Pepsi.TeD verzieht keine Miene. Er weiß, es geht um viel: 19.000 US-Dollar gibt es cash für den Turniersieger. Trotzdem sitzt der junge Chinese beinahe regungslos in seiner Plexiglaskabine. Nur seine Finger rasen über die Tastatur. „Er hat bereits seine Turtles verloren“, ruft eine aufgeregte Reporterstimme. Kurz darauf ist es geschehen: Game over! Dabei hatte es zunächst so gut für den leicht übergewichtigen Mann ausgesehen. Die erste Runde gewann er noch. Begeistert und siegessicher schwenkten seine Fans, die jeden Zug auf einer Großbildleinwand verfolgten, chinesische Fahnen und Fähnchen. Doch von Minute zu Minute wird sein südkoreanischer Gegner MYM]Moon stärker. Und dann ist’s passiert: das Aus im Viertelfinale. Enttäuscht stöpselt WE.Pepsi.TeD sein Keyboard aus. Die Entscheidung in „Warcraft III: The Frozen Throne“ wird ohne ihn stattfinden.

„Warcraft III“ ist ein Echtzeit-Strategiespiel. Halle 8 der Kölner Messe. Hier findet seit Donnerstag „E-Sport“ statt: die World Cyber Games (WCG), eine Art Weltmeisterschaft für Computerspieler. 300 PCs und 42 Xbox-360-Spielkonsolen haben die Veranstalter aufgebaut. Es ist laut in der Halle, verdammt laut: 150 Lautsprecher mit einer Gesamtleistung von 15.000 Watt beschallen Teilnehmer und Publikum mit nervenzehrendem Heavy-Metall-Sound.

Die meisten E-Sportler geben sich Künstlernamen. Die Stars heißen nEphBoneASUSnGiz, TER.Eibach.SpEeDy oder eben MYM]Moon, der im wirklichen Leben Jaeho Jan heißt und auch bereits den deutschen „Warcraft“-Hoffnungsträger S.o.K.o.L aus dem Turnier schmiss. An den Vorausscheidungen haben mehr als eine Million Spieler weltweit teilgenommen. Rund 800 haben es bis zum „Grand Final“ nach Köln geschafft. Große Delegationen kommen aus China und Südkorea. In dem asiatischen Land werden Profispieler wie Popstars verehrt und Computermatches live zur besten Sendezeit im Fernsehen übertragen.

Davon kann die vierzigköpfige deutsche Mannschaft nur träumen – obwohl die Lust am digitalen Kick auch hier wächst: 28 Prozent aller Bundesbürger über 14 Jahre goutieren Computerspiele. Unter den über 50-Jährigen ist es immerhin noch mehr als jeder zehnte, der regelmäßig zu Maus oder Gamepad greift. Trotzdem verlieren sich nicht viele dieser Altersgruppe an diesem Wochenende bei den WCG: Als Freunde analogen Vergnügens zieht es sie mehr zur Modelleisenbahnmesse in einer Nachbarhalle. Der Anteil der weiblichen E-Spiele-Fans liegt mittlerweile bei 22 Prozent, was sich allerdings wohl noch nicht bis zu den WCG herumgesprochen zu haben scheint: Das Teilnehmerfeld ist frauenfreie Zone.

Den in der Domstadt versammelten Spielern geht es nicht nur um Ruhm und Ehre: Immerhin sind Preisgelder und Sachpreise von zusammen 470.000 US-Dollar zu gewinnen. Wettkämpfe gibt es in insgesamt vierzehn Disziplinen: Auf der Xbox-Spielekonsole gibt’s das Rennspiel „Project Gotham Racing 4“, den Shooter „Halo 3“, das Kampfspiel „Virtua Fighter 5 Online“ und das Musikspiel „Guitar Hero III: Legends of Rock“, bei dem statt eines Keyboards Plastik-E-Gitarren malträtiert werden. Für Handyfreaks ist zudem noch erstmals das Rennspiel „Asphalt 4 – Elite Racing“ im Angebot. Am Computer gespielt werden außer „Warcraft“ auch noch die Echtzeit-Strategiespiele „StarCraft: Brood War“, „Command & Conquer 3: Kanes Wrath“, „Age of Empires III: The Asian Dynasties“, das Online-Rollenspiel „Red Stone“, das Autorennspiel „Need for Speed – Pro Street“ sowie die beiden Sportsimulationen „Carom3D“ (Billard) und „FIFA Soccer 08“ (Fußball).

Eines der beliebtesten Spiele der mehreren zehntausend Zuschauer ist „Counter-Strike“. Doch den Scharmützeln am Bildschirm dürfen nicht alle beiwohnen, die es wollen. Wie auch das Kriegsspiel „Command & Conquer“ findet das martialische Ballerspiel in einem abgetrennten Raum mit Einlasskontrolle statt: Altersfreigabe erst ab 16 Jahre. Bei den World Cyber Games treten Fünf-Mann-Teams gegeneinander an und üben sich im virtuellen Abknallen. Für die deutsche Mannschaft „Alternate Attax“ ist jedoch schon in der Vorrunde Schluss – was durchaus auch etwas Beruhigendes hat.