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Archiv-Artikel

Eine Sekte sagt Good bye, Bildung

BERLIN taz ■ Was sollte sie auch tun? Die Grüne Krista Sager war ziemlich einsam, als die Bundesregierung dieser Tage ihr Konzept für Spitzenhochschulen vorstellte. Sager, keine x-beliebige Grüne, sondern Chefin der Bundestagsfraktion, war offiziell gar nicht eingeweiht. Also hörte sie sich an, was zu sagen war, und tat so, wie man die Grünen liebt: Sie mäkelte. Spitzenunis – igittigitt! Löst kein Problem!

Sagers Haltung ist kein Einzelfall, sondern die bedauerliche Regel. Die Grünen, vor wenigen Jahren noch mit Bildungs- und Wissensexperten gesegnet und gut beraten, sagen Good bye, Bildung. Als Fachleute treten neuerdings Daniel Cohn-Bendit und der Ex-Asta-Fritze Jürgen Trittin auf. Zum Haareraufen. Auch grünenintern gibt es da nur noch Kopfschütteln.

Den intellektuellen Tiepfunkt aber lieferte nun die Heinrich-Böll-Stiftung. Sie ließ über Studiengebühren diskutieren. Das heißt, sie ließ das eben nicht zu. „Es geht hier nicht um Studiengebühren“, blaffte der Böll-Bildungsreferent Andreas Poltermann auf die Frage, „sondern um intelligente Steuerungsmodelle.“ Aha, intelligent, das ließ nichts Gutes erwarten.

Auf der Galerie der Böll-Stiftung aber hatte sich eine kleine, fiese Sekte versammelt. Leute, die unter sich bleiben wollen. Menschen, die eine vorgefertigte Wahrheit verkünden. Diskutanten, die klaglos fünf Stunden ausharren, obwohl das Gesagte höchst unverdaulich ist. Sie stehen das durch, weil sie sich über eines sicher sein können: Hier belästigt sie niemand mit unangenehmen Wahrheiten.

Es ging um Studiengutscheine, die eine Alternative zu Studiengebühren sein sollen. Und nebenbei noch die Lehre verbessern. Und die Studenten aus ihrer selbst verschuldeten Abhängigkeit von den Eltern befreien sollen mittels eines Bafögs de luxe. Als Herbert Hönigsberger, ein grüner Back-office-Denker, das Modell nach vier Stunden und 23 Minuten endlich vorstellte, waren längst alle in sich zusammengesunken. Trotzdem sagt er sehr leise und vorsichtig, was geschieht, wenn die Studiengutscheine aufgebraucht sind: Dann kostet Studieren Geld! Nein, Hönigsberger sagte, die Uni kann („das ist nur eine Kann-Bestimmung!“) Hörergeld verlangen „oder so etwas“. Und noch eine Frechheit mutete Hönigsberger diversen Kunstgeschichststudenten im 19. Semester nahezu lautlos zu: Das habe den Sinn, dass schneller studiert wird. Psst, nicht verraten!

Nur an einer Stelle gelang es der Wirklichkeit, Einzug zu halten. Eine junge Frau hatte die sich aufklaffende Zweidrittelgesellschaft beklagt – und sich zugleich als „Kind aus gutem Hause“ identifiziert. Der es nun schlecht gehe mit ihren 660 Euro Bafög, die sie bekomme. Denn: Sie lebe damit unter der Armutsgrenze! Da wurde es Michael Daxner zu bunt. Das sei Teil einer absurden Wohlstandsdebatte, die sich nur fünf Länder dieser Erde leisten könnten. 660 Euro und Armut, das hätte nichts miteinander zu tun, mahnte er die geplagte Studentin. Daxner weiß, was Armut ist. Er gründet gerade eine Hochschule im Kosovo.

Haben Studiengutscheine und Bafög de luxe eine Chance? Nein! Um das zu verwirklichen, wären Staatsverträge unter Ländern nötig, die es teilweise nicht erwarten können, ordinäre Studiengebühren einzuführen. Die elitäre Vollkaskoversorgung für die 25 Prozent Privilegierten des deutschen Bildungssystems, die Studienberechtigten, kommt da zur Unzeit – und ist auch politisch daneben. CHRISTIAN FÜLLER