Späte Entschuldigung beim Zentralrat

Gedenkstättenstiftung: Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt entschuldigt sich beim Zentralrat der Juden.Dieser befürchtet Gleichsetzung von SED-Verbrechen und Holocaust. Das sächsische Konzept soll keine Schule machen

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Nach dem Austritt der Nazi-Opferverbände aus den Gremien der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten bemüht sich die sächsische Regierung, den Schaden zu begrenzen. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hat sich bei Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, entschuldigt.

Milbradt bedauert die „unglücklichen Vorgänge“ um mehrere Schreiben des für die Gedenkstätten zuständigen Zentralrats-Vizepräsidenten Salomon Korn. Die Vorgänge hat sich die Regierung allerdings selbst zuzuschreiben. Im Haus des zuständigen Wissenschaftsministers Matthias Rößler (CDU) blieb Post des Zentralrates liegen, weshalb sich dieser schließlich an die Staatskanzlei wandte. Doch auch dort wurde ein Brief des Verbandes der Verfolgten des Nationalsozialismus (VVN) im September nur lapidar beantwortet. Auch der VVN war am Montag dem Beispiel des Zentralrates der Juden und der Vertreter der Sinti und Roma gefolgt und hatte seine Mitarbeit aufgekündigt.

Sie begründeten dies mit dem erst vor einem Jahr verabschiedeten Sächsischen Gedenkstättengesetz. Es räumt auf Betreiben der CDU-Landtagsfraktion den Stasi-Gedenkstätten in Dresden und Leipzig einen Sonderstatus ein. Mitarbeiter der Gedenkstättenstiftung sehen es zudem als Schwäche des Gesetzes an, dass die Beteiligungsverhältnisse im Stiftungsrat und in den Beiräten nicht klar geregelt sind.

Seither schwelt zwischen den Vertretern der Nazi- und der SED-Opfer ein Streit. Juden wie Antifaschisten befürchten eine Nivellierung von Holocaust und DDR-Verbrechen. Salomon Korn betonte hingegen die „fundamentalen Unterschiede“. VVN-Landesvorsitzender Hans Lauter konstatierte gar eine „Diskriminierung der Opfer des NS-Regimes“.

Aktueller Auslöser des demonstrativen Austritts des Zentralrates der Juden ist jedoch ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der am Freitag debattiert werden soll. Der Zentralrat befürchtet, dass damit das sächsische Gedenkstättenkonzept bundesweit Schule machen könnte. Denn der Antrag nimmt ausdrücklich auf das sächsische Modell Bezug. Man wolle keinesfalls die europäische Katastrophe des Holocaust gegen das SED-Unrecht ausspielen, heißt es im Büro des CDU-Abgeordneten und Initiators Günter Nooke. Der Antrag betont jedoch die „doppelte Vergangenheit“ beider Diktaturen und sieht in seiner Begründung die Erinnerung an DDR-Vergehen unterrepräsentiert. Der eigentlich von der Enquetekommission zur SED-Diktatur 1996 beigelegte Ost-West-Streit, ob dies eine gesamtstaatliche Aufgabe sei, wirke sich auf die Gedenkstättenpraxis kaum aus, heißt es weiter im Büro Nooke. Der Antrag verlangt daher ein Gesamtkonzept für das Gedenken an beide Diktaturen.

Sachsens Wissenschaftsminister Rößler hat inzwischen seine für Freitag geplante Bundestagsrede abgesagt. Am Freitag wird im Berliner Haus der Adenauer-Stiftung eine Expertenrunde über das Thema debattieren.