: Slapstick mit Patina
Kino im Kopf mit Input aus der chinesischen Bildsprache: Die Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst zeigt drei mythisch schwebende Kurzfilme des jungen chinesischen Künstlers Yang Fudong
Frischer Wind in Pekings Kunstszene, entfacht in den 1990er Jahren durch Digitalvideo-Kameras: „Wenn du eine DV in die Hand nimmst“, hieß es programmatisch auf Pekings erstem unabhängigem Filmfest, „solltest du wissen: Du hast das Recht auf Bild- und Meinungsäußerung. Du willst Stellung beziehen? Nur zu: Schalt ein und höre nie wieder auf!“
Einer der Stars auf diesem Festival war der junge Filmkünstler Yang Fudong, einer, den der Aufwind in China bis nach Europa getragen hat: Fudong, 32, war 2002 auf der Documenta 11 in Kassel vertreten und präsentierte seine Arbeiten vergangenes Jahr auf der Biennale in Venedig. In der Nürnberger Kunsthalle sind derzeit Fotos von Fudong zu sehen, Titel der Ausstellung: „Fuckin‘ Trendy“. Weniger reißerisch fällt nun Fudongs Präsenz in Bremen aus: Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) hält Wort und zeigt unter dem Titel „Drei Filme“ ganz nüchtern: drei Filme.
Dabei eint alle drei Fudong-Kurzfilme ihre Konzentration auf das Atmosphärische: Dialoge gibt es keine, dafür viel sehr bewusst eingesetzte Musik. Hauptdarsteller gibt es auch keine, dafür Menschen, die miteinander in eigenartigen Beziehungen stehen, deutungsoffen, ohne dass das Unbestimmte plakativ wirkt: Fudongs Geschichten ergeben sich erst im Kopf des Betrachters, wobei Fudongs Input dafür gerne auch aus der traditionellen chinesischen Bildsprache kommt.
Der 14-minütige Film „Liu Lan“ beispielsweise bringt eine historisch gekleidete Frau mit einem Mann im modernen westlichen Anzug zusammen, beide treffen sich an einem See und er steigt zu ihr ins Boot. Auf der Tonebene verweist traditioneller Gesang auf die Vergangenheit, gleichzeitig lenkt die Frau das Boot und bricht auf diese Weise mit historischen Realitäten. Was bleibt, ist eine schwebende, mystische Atmosphäre, eine leise vor sich hintreibende Traumwelt.
Wobei Fudong nicht nur auf Introspektion in Schwarz-Weiß setzt: In „Honey“ fährt die Kamera erstmal ein netzbestrumpftes Frauenbein ab, der Schauplatz ist ein Hinterzimmer, in dem gezockt und posiert wird. Gut geschminkte Damen treffen dort neun Minuten lang auf Generäle mit ausdruckslosen Gesichtern, gemeinsam warten sie auf irgendwas, kommen, gehen und die Kamera beobachtet sie dabei omnipotent aus der Vogelperspektive: Fudong bedient sich beim Hinkucker „Sex and Crime“ und hebt ihn auf eine Realitätsebene, die nicht von dieser Welt ist – aber auch nicht von einer ganz anderen.
Ein eigentümlich unaufdringlicher Mix aus komponierten und zitierten Bildern, letztere überwiegen bei „City Light“. Den Titel hat Fudong von Charlie Chaplin und auch die zwei Herren, die als Doppelgänger durch diese Bildwelt spazieren und tanzen, habe etwas Slapstickartiges. Eine wirkliche Mission haben sie nicht, aber plötzlich zücken sie Knarren und spielen James Bond. Das erstaunliche: Fudong kann machen, was er will – und es wirkt nicht lächerlich. kli
bis 26. Februar in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, geöffnet dienstags bis sonntags, 11-18 Uhr. Kommenden Sonntag (1.2.) führt Marion Bertram um 11.30 Uhr durch die Ausstellung