: Eine todernste Sache mit 7 Buchstaben
Fußballfilm is coming home: Ab Morgen zeigt das KinoCentral im Rahmen des „Ballspotting“-Festivals neun Fußballfilme aus Großbritanien
VON ANDREAS BECKER
Fußballfan zu sein ist ganz schön blöd. Man ist sein Leben lang auf Gedeih und Verderb an das Schicksal von elf Hirnis angekoppelt, die manchmal auf Jahre nicht das Tor treffen. Ich wurde qua Geburt zum Werder-Fan. Das mag heute (Herbstmeister!) beneidenswert scheinen, war als Kind aber der blanke Horror.
In den Siebzigern, als ich mit meiner Schülerjahreskarte fast kein Heimspiel verpasste, spielten wir jede Saison eigentlich nur gegen den Abstieg. Über ein 0 zu 0 an einem kalten, nebligen Freitagabend gegen einen Krückenverein wie Bochum musste man sich schon freuen. Manchmal sah man das Gegentor wegen des Nebels gar nicht und wusste nur durch den Jubel drüben, dass ein Tor gefallen sein musste. Samstagabende waren oft schon um 17.15 Uhr mit dem Schlusspfiff gelaufen. Wir hatten nicht mal ein Dach überm Kopf in unsrer Stadionecke – ein Jammertal. Als es dann unter Otto Rehhagel aufwärts ging, hatte ich längst die Stadt verlassen.
Nick Hornbys Buch „Fever Pitch“ beschreibt Leid und Freude eines Arsenal-London-Fans. Der rastet aus, als seine Freundin meint, Fußball sei doch „nur ein Spiel“. Es nervt sie, dass er das Jahr nicht wie jeder normale Mensch in Jahreszeiten, sondern in Saisonhälften unterteilt. Er rechnet immer mit dem Schlimmsten, da sein Verein schon oft in letzter Sekunde alles vermasselt hat, und geht sogar so weit, sich mit seiner Frau ein Haus direkt neben dem Stadion zu kaufen.
Der Film ist zwar nicht ganz so klasse wie das Buch, gibt aber einen dramatischen Einblick in die Seele eines Fußballverrückten. Fever Pitch ist einer von neun Fußballfilmen, die eine Woche lang beim „Ballspotting“-Filmfestival im Central laufen. Das Genre Fußballfilm existiert in Deutschland bislang kaum. Jetzt, nach dem „Wunder von Bern“, das dann aber auch gleich das ganz große Deutschlandding raushängen lassen musste – New Nationbuilding nach 89 eben –, ist der Weg zumindest frei für ein kleines Festival mit britischen Fußballfilmen der letzten Jahre.
Der Verein brot&spiele e. V., der sich um intelligente Hool- und Fußballkultur kümmert, hat gemeinsam mit dem British Council die Filme besorgt. Ein Film über den legendären George Best macht den Anfang, er heißt schlicht „Best“ (2000, OF). In Großbritanien ist die Fußballkultur eine echte Volkskultur. Die englischen Hools sind weltweit berüchtigt für ihren Hang zur maßlosen Sauferei und Klopperei.
1989 passierte die Katastrophe im Hillsborough-Stadion in Sheffield, bei der 69 Liverpool-Fans ums Leben kamen. Der Film „Hillsborough Inquest“ (1996 OF) rekonstruiert die Ereignisse anhand des Schicksals von drei Fanfamilien. Ein anderer richtig schön brutaler Film ist „I. D. Undercover“ (1995 OmU). Es geht um zwei Undercovercops, die sich unter die Hools mischen. Wer diesen Film sieht, sollte wirklich gut in Explizitenglisch sein. Der Chefbulle wird ein Musterhool. Erst säuft man den ganzen Tag im Pub, und wenn dann endlich der gegnerische Fanbus durch die Straße fährt, wird dieser von 50 Irren gestoppt. Die Scheiben werden eingeschlagen und man prügelt sich mit den Bullen. Der Hoolspion sitzt auch an seinem Schreibtisch mit Bierdose und redet über das letzte beschissene Spiel seiner Mannschaft. Da bleiben Konflikte im Berufs- und Privatleben des Spitzelbullen nicht aus.
Um magische Fußballschuhe, von einer Oma geschenkt, geht’s in „Jimmy Grimble“ (2000, OmU). Der junge Jimmy kommt nicht mit dem neuen Typ seiner Mutter zurecht. Mit dem Vorläufer konnte er wenigstens ins Stadion gehen. Die Lächerlichkeit einer Fußballnationalmannschaft muss uns ja niemand vorführen, auch nicht den Irrsinn von Typen wie Berti Vogts oder Pöbel-Völler.
Aber auch die Engländer haben ein Krückennationalteam. In „Mike Bassett: England Manager“ (2001, OF) geht’s um einen Trainer, der unbedingt im Vier-vier-zwei-System spielen will. Seine zwei Stürmer sind aber nicht mal fähig, gegen Ägypten zu treffen. Mit viel Ironie wird die Fußballbegeisterung lustigen Farce. Witzig auch ein Interview mit Pele, der die besten Mannschaften der Welt aufzählen soll und einfach nicht auf England kommt. „Mike Bassett“ ist grandios besetzt mit Ricky Tomlinson als Trainer: Selten so gelacht über eine so todernste Sache wie Fußball.
ballspotting im KinoCentral, bis 4. 2. tägl. 18 und 20 Uhr, Rosenthaler Str. 39. Morgen, 30. 1., 18 Uhr, Eröffnungsfilm: „Best“, UK 2000. Im Rahmenprogramm: „Tor in Berlin! Das Runde durchs Eckige gesehen“, Fotos von Annika Putz und Jule Frommelt, tägl. 18.00–21.00 Uhr, Choriner Straße 42, Mitte