VÖLKERMORD-KONFERENZ: DRITTKLASSIG BESETZT UND BEENDET
: Lieber lindern als verhindern

Zum schlimmsten Thema die schwächsten Resultate – das stand schon zu befürchten, als die Vorbereitung der Internationalen Konferenz zur Verhinderung von Völkermord begann. Nicht nur Deutschland ließ sich deshalb von vornherein nur drittklassig in Stockholm vertreten. Wenn sich jemand in einigen Wochen überhaupt noch an diese Konferenz erinnern wird, dann allenfalls wegen des Amoklaufs eines israelischen Botschafters gegen eine Kunstinstallation zu Selbstmordanschlägen. Dabei hätte es genügend brennende Fragen zu behandeln gegeben: den Nahen Osten, Tschetschenien, mehrere „Risikoländer“ in Afrika.

Die rund eintausend klugen Köpfe konnten sich wenigstens auf den Vorschlag verständigen, mit dem UN-Generalsekretär Annan die Konferenz eröffnet hatte: eine neue Kommission, eine Art Feuerwehreinsatztruppe zu schaffen. Doch sie wäre nicht nötig, wenn die Vereinten Nationen ihre Mitgliedsnationen stärker in die Pflicht nehmen könnten. Überhaupt haben nur 130 die Konvention gegen Völkermord ratifiziert, 70 aber nicht. Und selbst wenn: Von der drohenden Anreise eines UN-Sonderberichterstatters werden Staaten wenig beeindruckt sein, die als Täter, Mithelfer oder Waffenlieferanten Völkermord zu verantworten oder ihn jedenfalls nicht verhindert haben. Und selbst dies ging manchen noch zu weit: Die USA und Israel bemühten sich in Stockholm erfolgreich, das Schlussdokument zu verwässern, indem sie sogar einen Hinweis auf den Internationalen Strafgerichtshof blockierten.

Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Armut, Xenophobie, alte und neue Verteilungskämpfe – wir wissen inzwischen genau genug, was Völkermord auslöst, genauer: wie er ausgelöst wird. Internationale Tribunale, die wenigstens einige Täter zur Rechenschaft ziehen, sind notwendig, um kollektive und einzelne traumatische Erfahrungen zu bewältigen. Doch in Stockholm wollte der Eindruck nicht verschwinden, dass die meisten Regierungen sich lieber mit der Hilfe nach dem Massaker beschäftigen als zu verhindern, dass Völkermord überhaupt noch passiert. REINHARD WOLFF