: Rückenwind für den Super Tuesday
Bei den Vorwahlen in New Hampshire schlägt John Kerry seine Rivalen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur erneut. Dennoch stehen die wichtigen Wahlen noch aus, die Konkurrenten Edwards und Clark hoffen auf die Südstaaten
AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK
John Kerry hat ein Meisterstück vollbracht. Am Dienstag gewann er die zweite Vorwahl der Demokratischen Partei mit deutlichem Abstand vor seinem Rivalen Howard Dean. Jetzt ist er auf gutem Weg, Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden.
Die Wähler in New Hampshire neigen traditionell dazu, Spitzenreitern in den Vorwahlkämpfen ein Bein zu stellen. Nicht so am Dienstag. Sie hielten sich fast genau an das Drehbuch, das ihnen die Politpropheten zugedacht hatten. Noch vor wenigen Wochen hätte niemand einen Penny auf Kerry gewettet. Er wirkte spröde und langweilig. Stets haftete ihm der Makel an, die Kriegsresolution gegen den Irak im Kongress unterstützt zu haben. Doch Kerry schaffte die Metamorphose vom Hauptstadtpolitiker zum Mann von nebenan. Es ist ja oftmals paradox. Je erfahrener ein US-Politiker ist, desto untauglicher ist er oft für den Wahlkampf. John F. Kennedy gelang als letzter Politiker vom Senat aus der Sprung ins Weiße Haus. Sonst siegten immer Gouverneure. Auch Howard Dean, Exgouverneur aus Vermont, pflegte sein Image als Anti-Establishment-Kandidat.
Dean erhielt sich mit seinem zweiten Platz zumindest seine Chance auf die Nominierung. Er ist zudem gerüstet mit der üppigsten Spendenkasse aller Herausforderer und einem landesweit operierenden Unterstützernetzwerk. Dennoch verliefen die Wahlen für den voreilig zum Spitzenreiter erklärten Kandidaten enttäuschend. Seine Wutrede nach der Niederlage von Iowa hat ihn sogar zum Gespött gemacht. Viele zweifeln nun an seinen staatsmännischen Fähigkeiten. Wie weit das „Phänomen Dr. Dean“ noch trägt, wird nächste Woche der erste Stimmungstest in den Südstaaten zeigen.
Hier setzt John Edwards, der sich in New Hampshire mit Ex-Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark den dritten Platz teilt, alles auf eine Karte. Kann er dort gewinnen, seinen Bonus als „Southern Guy“ ausspielen, bleibt er im Rennen. Ansonsten droht das Aus. Dies gilt ebenso für Clark, den General aus dem Clinton-Staat Arkansas, den viele eher als Idealbesetzung für den Posten des Vizepräsidenten ansehen und der ebenfalls vor allem um die Stimmen aus dem Süden buhlt.
Doch vorschnelle Schlüsse sind nicht angebracht. Iowa und New Hampshire stellen nur 67 der insgesamt 2.160 Delegierten für den Nominierungsparteitag im Sommer. Die Wahlen jetzt dienen jedoch vor allem als Stimmungsmotoren, die den Siegern enormen Schwung verleihen. Amerika liebt nun einmal Siegertypen und Stehaufmänner. Wie Kerry.
Sicherlich, der 60-jährige Senator aus Massachusetts vereint alle Eigenschaften, mit denen Demokraten bisher immer gescheitert sind: großbürgerliche Herkunft, Elitepolitiker und liberaler Neu-Engländer. Dennoch ist er der Mann, den die Republikaner bisher am meisten fürchten müssen. Sein Erfolg macht nämlich deutlich, wie sehr der 11. September die Demokraten verändert hat. In Kerry sehen sie einen Liberalen in Uniform, mit Fronterfahrung, der verwundet war, für den die Kriegsveteranen auf die Straße gehen, der den Vietnam-Drückeberger George W. Bush als Weichling erscheinen lässt. Und damit ist er sicherlich nicht ein Kandidat, den sich die Wahlkampfstrategen im Weißen Haus als Gegner wünschen.