Bloß kein Mythos werden

Wolf Haas beendet mit seinem neuen Krimi „Das ewige Leben“ die Existenz seines Protagonisten Brenner, der unversehens eine Kugel in den Kopf bekommt. Lesung heute im Literaturhaus

von CAROLINE MANSFELD

Er ist schon ein komischer Kauz, der ehemalige Polizeibeamte Brenner. Kein Spürhund, der als strahlender Held mit der Waffe im Anschlag durch die Gegend stolpert und dabei attraktive Frauen betört, sondern ein Grübler, der sich mit krausen Gedanken der Lösung ungelöster Kriminalfälle annähert.

Seit seinem ersten Buch vor sieben Jahren schrieb sich der Österreicher Wolf Haas mit seiner Figur von Erfolg zu Erfolg. 600 000 verkaufte Brenner-Krimis zählt die Literaturlandschaft heute. Eine Rarität ist das allemal im Genre des Krimis. In einer grandiosen Verfilmung von Komm süßer Tod wurde der sympathische Antiheld durch das Spiel des Kabarettisten Josef Hader auch auf der Leinwand unsterblich. Doch jetzt trägt die Fangemeinde Trauer. Denn der aktuelle Brenner-Roman soll der letzte sein. Mit einem Paukenschlag und einer schmalen Utopie lässt Haas seinen Helden untergehen. Der Titel des Buchs: Das ewige Leben, aus dem er morgen im Literaturhaus liest.

Das Rezept seines Erfolges ist eine herzhaft-süße Mischung. Denn Haas zeigt durchaus Geschmack an exotischen Todesarten. In Auferstehung der Toten, dem Erstling von 1996, gefriert ein greises Ehepaar im Sessellift, in Komm süßer Tod sterben Alte im Rettungswagen an unverhoffter Gnadenspritze, in Der Knochenmann landen die Opfer in einer Grillmehlstation.

In Das ewige Leben kehrt Ex-Bulle Brenner in seine Heimatstadt mit dem Namen Puntigam, einen Vorort von Graz, zurück. Dort wird er jäh von seiner Vergangenheit eingeholt. Im elterlichen Haus fängt er sich eine Kugel in seinen Kopf ein und findet sich auf der Intensivstation der Landesnervenklinik wieder. Dort eröffnen ihm die Ärzte, dass sein Freitodversuch fehlgeschlagen ist.

Das Gedächtnis kehrt zurück, und Brenner bleibt nur die Flucht, denn natürlich glaubt ihm niemand einen Anschlag, hinter dem er übrigens die Grazer Kripo vermutet. Auf den folgenden Seiten erfährt man vergnügliche Details aus Brenners Jugendzeit, in der er gelegentlich mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Damals beging er mit zwei Kollegen von der Polizeischule einen Bruch in einer Grazer Bank, einer überlebte den kriminellen Akt nicht. Brenner begibt sich auf die Suche nach den Überlebenden, findet den einen als Hausmeister im Arnold Schwarzenegger Stadion wieder, den anderen als Polizeipräsidenten. Doch da hat der Hausmeister schon nicht mehr lange zu leben, und dem Polizeipräsidenten passt Brenners Anwesenheit gar nicht.

Wolf Haas, 42 Jahre alt und ehemaliger Werbetexter, dessen Slogans die Welt bis heute verfolgen („Ein Mazda müsste man sein“, „Lichtfahrer sind sichtbarer“) pflegt eine besondere, verknappte Kunstsprache. Er hat einen ziemlich dreisten Ich-Erzähler erdacht, der den Leser mit Alltagsweisheiten an einer Art Stammtisch zutextet. Und das mit wirren Halbsätzen. Haas ist nicht besonders belesen und hat sich darum während seiner Literaturstudien gleich in die Narrenfreiheit des Experiments geflüchtet, Vorbild ist ihm die konkrete Poesie von Ernst Jandl. Gleichzeitig versteht er das Kunstfertige mit einem raffinierten, höchst absurden Humor zu mischen. Ein Jammer, wenn er mit dem Schreiben aufhören würde, aber die Serie wollte er beenden, „bevor es fad wird“. Seine größte Sorge, dass er mit der Serie „einmal zur Masche verkomme“, wird sich damit nicht erfüllen. Ein Mythos ist sein Simon Brenner aber schon heute.

Lesung mit Wolf Haas: Das ewige Leben. Hamburg: Hoffman und Campe 2003; 224 S., 17,90 Euro. Lesung morgen, 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38