… und raus bist du!

Eine Mehrheit der Berliner fordert Ausländerquoten an Schulen. Türkischer Bund: Verfassungswidrig und diskriminierend. Auch die Grünen halten eine solche Quote für falsch und nicht umsetzbar

von RICHARD ROTHER

Die Schulen unternehmen zu wenig, um Kinder nichtdeutscher Herkunft zu integrieren. Davon ist zumindest eine Mehrheit der Berliner, 56 Prozent, überzeugt. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die von der Berliner Zeitung, Inforadio und Stadtradio 88,8 in Auftrag gegeben wurde. Die meisten Unzufriedenen gibt es mit 70 Prozent unter den Grünen-Anhängern, den wenigsten Änderungsbedarf sehen CDU-Wähler.

Dramatischer noch als die Bewertung allgemeiner Integrationsanstrengungen sind die Ansichten der Berliner in einer anderen schulpolitischen Frage: eine große Mehrheit von 63 Prozent spricht sich nämlich für die Einführung einer Ausländerquote in Schulklassen aus. Je 19 Prozent sind für eine maximale Quote von 10 oder 20 Prozent. 13 Prozent wollen, dass höchstens nur jedes dritte Kind in einer Klasse nichtdeutscher Herkunft ist.

Hintergrund sind offenbar Befürchtungen, ein hoher Anteil an nichtdeutschen Kindern – die Schwierigkeiten in der Unterrichtssprache Deutsch haben – vermindere das Leistungsniveau einer Klasse. Eine Folgeuntersuchung der internationalen Schulvergleichstudie Pisa hatte ergeben, dass ab einem Ausländeranteil von rund 20 Prozent das Niveau sinkt.

Bildungsforscher warnen allerdings vor falschen Schlüssen. Werden nämlich die Ergebnisse ausländischer Schüler in Deutschland aus der Pisa-Studie herausgerechnet, so ergibt sich nur ein wenig besseres Bild. Das bedeutet: Nicht die Ausländerkinder sind schuld am schlechten Abschneiden Deutschlands in der Pisa-Studie, sondern das gesamte Lernsystem aus Schule, Elternhaus und gesellschaftlichem Umfeld ist internationalen Anforderungen nicht mehr gewachsen.

Der Grünen-Bildungsexperte Öczan Mutlu fordert denn auch eine bessere personelle und materielle Ausstattung der Schulen. Zudem müsse die Eigenverantwortung der Schulen gestärkt werden, sagte Mutlu gestern. „Alles wird reglementiert, da kann sich kaum Kreativität entwickeln.“ Von einer Ausländerquote hält Mutlu gar nichts. „Eine solche Quote ist falsch und nicht umsetzbar.“ In der Tat ist praktisch schwer vorstellbar, dass etwa türkische Kinder aus Kreuzberg täglich mit dem Bus nach Steglitz zur Schule fahren.

Safter Cinar wird daher deutlich: „Die Quote ist verfassungswidrig und diskriminierend“, sagte der Sprecher des Türkischen Bundes gestern. Sie vergifte die Atmosphäre und löse keines der Probleme, die sich in vierzig Jahren falscher Politik geballt hätten. Schlechte schulische Ergebnisse seien kein Herkunfts-, sondern ein soziales Problem. Auch viele deutsche Kinder in der Innenstadt beherrschten ihre Muttersprache nur ungenügend. Statt über Quoten zu diskutieren, müsse man den Spracherwerb in Kindergarten und Grundschule stärken. Dazu müsse aber auch die Erzieher- und Lehrerausbildung reformiert werden. Zudem müssten die Eltern mehr in die Verantwortung genommen werden.

Cinar verweis auf einen Modellversuch in Niedersachsen. Dort gebe es eine Vorschulpflicht für alle, bei der eventuelle Sprachdefizite entgegnet werden solle. Cinar sieht aber – wie bei der Forderung nach kleineren Klassen oder Kita-Gruppen – ein wichtiges Hindernis: „Das kostet viel Geld.“