piwik no script img

Archiv-Artikel

Weltwirtschaft verschafft Rot-Grün Hoffnung

Im Jahreswirtschaftsbericht 2004 hofft die Regierung auf bis zu 2 Prozent Wachstum. Problematisch: Konsumklima

BERLIN taz ■ Wolfgang Clement (SPD) hat es wieder getan. Und vielleicht hat er dieses Mal sogar mehr Glück. Als der Bundeswirtschaftsminister gestern den Jahreswirtschaftsbericht 2004 der Bundesregierung vorstellte, verkündete er: „Das Tal der Tränen ist durchschritten“, endlich gehe es „wieder aufwärts in Deutschland“. Aufmunterungsslogans, die er bereits im vergangenen Jahr bemühte. Statt, wie von ihm erhofft, um ein Prozent zu wachsen, schrumpfte die Wirtschaft 2003 dann allerdings um 0,1 Prozent. 2004 soll das anders sein: 1,5 bis 2 Prozent Wachstum dürften es dieses Jahr sein, verkündete der Minister optimistisch.

Dabei müsste er wissen, dass die Bundesregierung mit ihren Schätzungen in den vergangenen elf Jahren neunmal zu hoch gegriffen hatte. Immerhin: Falls Clement doch einmal Recht behielte, würde das für den Arbeitsmarkt zumindest den Beginn einer Besserung bedeuten – im Durchschnitt könnte die Zahl der Arbeitslosen um bis zu 100.000 unter dem diesjährigen Niveau liegen.

Was tatsächlich Hoffnung geben kann, ist im 84-seitigen Bericht ganz vorne platziert: die Erholung der Weltwirtschaft, die vor allem auf der anziehenden Entwicklung in den USA fußt. Die internationalen Finanzmärkte und Stimmungsindikatoren zeigen schon seit einem Jahr aufsteigende Tendenzen, und auch in den EU-Ländern, den Haupthandelspartnern Deutschlands, deutet sich eine Belebung an. Dazu gesellen sich immer deutlichere Impulse aus China. In Deutschland selbst kommt die höhere Zahl der Arbeitstage hinzu, die einen Wachstumseffekt von 0,4 bis 0,6 Prozentpunkten einbringen dürfte.

Dabei mag es Clement aber nicht belassen. Denn was von all dem ließe sich ohne Peinlichkeit als Erfolg der rot-grünen Wirtschaftspolitik verkaufen? So verweist der Minister auf die Agenda 2010, mit der die Regierung Produkt- und Arbeitsmärkte weiter flexibilisieren und deregulieren sowie Steuern und Abgaben senken will. Dies soll im ersten Schritt zu mehr Vertrauen von Investoren und Verbrauchern und im zweiten zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen.

Zumindest bei den Verbrauchern scheint es mit dem Vertrauen bislang aber noch nicht so weit her zu sein. Die aktuellen Erhebungen der Gesellschaft für Konsumforschung decken sich keineswegs mit Clements Vorstellungen. Während der gestern erklärte: „Wir erwarten spürbare Impulse auch von der Binnennachfrage, etwa vom privaten Konsum“, weisen die Januar-Zahlen der GfK in eine ganz andere Richtung: „Die Konsumenten sehen die konjunktu- relle Entwicklung offensichtlich anders“, so GfK-Chef Klaus Wübbenhorst. Ein Grund dafür seien die Diskussionen über Steuern, Sozialabgaben und Renten. „Die vielen Vorschläge verunsichern die Leute.“

BEATE WILLMS