: Toll Collect hat schon wieder einen Plan
Die Lkw-Maut soll Silvester 2004 starten, allerdings nur in abgespeckter Form. Richtig laufen soll das High-Tech-System erst ein Jahr später. Der Regierung gehen so 2,8 Milliarden Euro verloren. Verkehrsminister Stolpe verzichtet aber auf die Kündigung
AUS BERLIN HANNA GERSMANN
Nächstes Jahr kommt ein bisschen Maut: Toll Collect hat einen neuen Zeitplan vorgelegt. Danach sollen die Spediteure ab Silvester 2004 endlich 12,4 Cent pro gefahrenen Autobahnkilometer zahlen. Ihre Mautgeräte werden dann allerdings noch nicht ganz funktionieren. Die Software wird sich für eine Neubaustrecke beispielsweise nicht aktualisieren lassen. Das soll erst Ende 2005 klappen. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) urteilte gestern trotzdem: „Das Angebot erfüllt die Anforderungen der Regierung.“ Die Drohung, den Vertrag zu kündigen, zog er zurück.
Kanzler Gerhard Schröder hatte Toll Collect bis Samstag Zeit gegeben, einen neuen Termin für die Maut zu nennen und sich zu Strafen und Schadenersatz zu äußern. Ansonsten wollte er die Partnerschaft mit der Industrie beenden. Das Konsortium von DaimlerChrysler und Deutscher Telekom liegt jetzt aber erstmals im Zeitplan und ist dem Ultimatum zuvorgekommen.
Oder doch nicht? Abgeordnete im Verkehrsausschuss des Bundestags, denen Stolpe gestern einmal mehr Rede und Antwort stehen musste, zeigten sich zumindest enttäuscht. Der Vorsitzende Eduard Oswald (CDU) schimpfte, die „Maut light“ sei „Schönfärberei“. Und Albert Schmidt (Grüne) sagte, das Angebot müsse noch „sehr genau geprüft werden.“
Tatsächlich fällt die Industrie hinter wesentliche Forderungen der Regierung zurück. Zwar will Toll Collect erheblich höhere Strafen zahlen, sollte der Termin einmal mehr platzen. So sind zunächst 40 Millionen Euro pro Monat vorgesehen, ab 2006 dann 70 Millionen Euro. Und das ist mehr als die derzeit fälligen Vertragsstrafen von 7,5 Millionen Euro pro Monat. Doch zugleich will das Konsortium mit maximal 500 Millionen Euro haften.
Ohnehin wiegt das die erwarteten Mautausfälle bei weitem nicht auf. Schon jetzt sind dem Verkehrsminister durch den verpassten Mautstart im August 800 Millionen Euro an Einnahmen entgegangen. Ende dieses Jahres werden es dann satte 2,8 Milliarden Euro sein. Doch zur Überbrückung der Verluste hat Toll Collect nach wie vor keinen Vorschlag gemacht. Allerdings hat Stolpe bereits laut darüber nachgedacht, einen Kredit aufzunehmen, um die Investitionen in Straße und Schiene nicht zu gefährden. Nur konnte er Finanzminister Hans Eichel (SPD) davon bisher nicht überzeugen.
Im rein technischen Sinn verschulden das Finanzloch radiogroße Computer, die so genannten Onboard-Units. Zu tausenden sollten sie in Lkws montiert werden und die Maut satellitengestützt und mit revolutionärer Software automatisch abrechnen. Aber noch immer funktionieren sie nicht und offenbar gibt es auch zu wenige. Toll Collect will nach vorläufigen Informationen nur 500.000 statt der vom Verkehrsminister geforderten 800.000 Geräte liefern. Am Wochenende entscheidet die Regierung endgültig über den Vertrag.
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