: „Der Krieg ist ein Verbrechen“
Am Montag haben sich die letzten Hoffnungen zerschlagen, dass der Krieg gegen den Irak abzuwenden ist. Wir dokumentieren Reaktionen von BremerInnen auf Bushs Rede zur Nation und seine indirekte Kriegserklärung
taz ■ Musa Al-Ameery, irakischer Arzt mit deutscher Staatsbürgerschaft: Meine Frau und ich haben bis halb fünf Nachrichten gesehen. Unser erster Gedanke ging natürlich an die Familie in Bagdad: Wir sind sehr bedrückt, weil wir ja nicht wissen, ob es zu einer Katastrophe kommt. Die Telefonleitungen in den Irak sind derzeit gestört, aber wir versuchen durchzukommen und denen Mut zu machen. Wenn ich kann, werde ich wieder nach Bagdad reisen, um zu sehen, wer gestorben ist und wer überlebt hat.
Leslie Strickland, US-Staatsbürgerin, lebt seit über zehn Jahren in Bremen: Ich bin entsetzt und traurig darüber, dass so viele Menschen in den USA auf diese Angstkampagnen der Regierung reingefallen sind. Es ist offenbar sehr leicht für einen Populisten wie Bush, auf dem Patriotismus-Ticket die Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen. Antiamerikanismus habe ich persönlich noch nicht gespürt.
Jens Böhrnsen, SPD-Fraktionschef: Das ist eine unglaubliche und arrogante Missachtung der Meinung der Weltbevölkerung und dazu völkerrechtswidrig. Krieg kann heute überhaupt kein Mittel mehr sein. Ich bin Schröder und Fischer beinahe dankbar, dass sie ihre Anti-Kriegs-Position so konsequent vertreten haben. Ich gehe davon aus, dass meine Fraktion auf einer Friedens-Kundgebung vollständig erscheinen wird.
Jens Eckhoff, CDU-Fraktionschef: Als Landespolitiker kann ich mich dazu nicht äußern. Persönlich kann ich die Amerikaner aber verstehen. Ich glaube, dass der Krieg notwendig ist. Diplomatisch war das weder geschickt noch professionell, aber es war doch von Anfang an klar, dass es den Amerikanern um einen Systemwechsel ging und die Frage nie war, ob Krieg geführt wird, sondern nur wann. Der Auslöser sitzt aber nicht in Washington, sondern in Bagdad. An Demonstrationen gegen den Krieg werde ich mich nicht beteiligen.
Hermann Kuhn, Grünen-Abgeordneter in der Bürgerschaft: Ich möchte den Krieg nicht rechtfertigen, aber ich verurteile auch nicht die Politik der USA. In dieser verfahrenen Situation gibt es keine richtigen Schritte. Der einzig richtige könnte nur noch von Saddam Hussein kommen. Wir Europäer unterschätzen die Bedrohung, die von ihm ausgeht.
Klaus Möhle, Parteichef der Bremer Grünen: Die Position Hermann Kuhns ist nicht die der Bremer Grünen. Wir sind weit davon entfernt, diesen Krieg in irgendeiner Weise gutzuheißen. Bush gefährdet den Weltfrieden.
Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Grünen: Es geht hier nicht um persönliche Meinungen, sondern ums Völkerrecht. Es kann nicht sein, dass das Recht des Stärkeren regiert und der entscheidet, wie er mit Diktatoren umgeht. Bedingungen können nur die UN stellen – und als letztes Mittel auch Krieg androhen.
Hartmut Drewes, Bremer Friedensforum: Die Rolle der UN wird eher gestärkt, weil die USA und Großbritannien es nicht geschafft haben, die Länder im UN-Sicherheitsrat unter Druck zu setzen. Allerdings muss man jetzt aufpassen, dass Krieg nicht zur Gewöhnung wird und die USA nicht permanent Krieg führen gegen die Länder, die in ihren Augen die „Achse des Bösen“ darstellen.
Martin Warnecke, Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche: Bush tut immer so, als wäre sein Handeln durch die Bibel legitimiert, aber diese Logik hat er sich selbst zusammengezimmert. Wenn der Krieg beginnt, ist das ein Verbrechen. Mehr kann man dazu eigentlich gar nicht sagen.
Kuno Böse, CDU-Innensenator: In erster Linie geht es um die Sicherheit der Bremer Bürger. Wir sind gewappnet, eine 100-prozentige Sicherheit kann es aber nicht geben. Sollte es zum Krieg kommen, so wird der Polizeischutz für besonders gefährdete Objekte und Personen noch verstärkt. Terrorwarnungen explizit für Bremen gibt es zurzeit nicht.
Interviews: Eiken Bruhn