: „Vater der Bombe“ in der Kritik
Beim pakistanischen Atomwaffenhandel gibt es nun auch schwere Vorwürfe gegen Abdul Qadeer Khan. Armee und Geheimdienst wussten vermutlich Bescheid
DELHI taz ■ Zum ersten Mal seit der Aufdeckung des geheimen Verkaufs von Atomwaffentechnologie aus pakistanischen Quellen an Iran und Libyen ist Abdul Kader Khan, der „Vater der pakistanischen Bombe“, in die Schusslinie geraten. Am Mittwoch veröffentlichte die Tageszeitung The News einen längeren Artikel, in dem Personen aus dem Umfeld des Präsidialamts und der Geheimdienste zitiert werden, die Khan direkt und schwer belasten. Sowohl die Medien wie die Regierung hatten ihn bisher geschont, weil er in der Öffentlichkeit den Nimbus eines nationalen Denkmals hat.
Elf Mitarbeiter Khans sind seit zwei Monaten für „Befragungen“ in Gewahrsam genommen worden, doch er selbst wurde lediglich „gebeten“, sein Haus nicht zu verlassen. Außerdem behielt er seine hochrangige Funktion eines Regierungsberaters. Mittlerweile hat sich der Verdacht illegaler Geschäfte mit der hochsensiblen Waffentechnik jedoch weiter verdichtet, seit bekannt wurde, dass Iran Millionen von Dollar auf private Bankkonten in Dubai überwiesen hatte. Die Regierung ist offensichtlich zum Schluss gekommen, dass sie den Stall ausmisten muss, will sie dem Vorwurf der Komplizenschaft (oder gar indirekten Täterschaft) zuvorkommen. Vergangene Woche versprach Präsident Pervez Musharraf bei einer Pressekonferenz in Davos, er werde gegen die Schuldigen hart vorgehen. Am Mittwoch schoss The News die erste Breitseite gegen Khan ab.
Danach waren es Khan und Mohammed Farooq, der für die Entwicklung der Gas-Zentrifugen verantwortliche Ingenieur, die Iran und Libyen Blaupausen für Zentrifugen verkauften. Diese sind nötig, um natürliches Uran zur waffenfähigen Dichte anzureichern. Khan und Farooq sollen das Geschäft über einen internationalen Ring von Waffenhändlern mit Zentrum in Dubai abgewickelt haben, mit Mittelsmännern in Südafrika, Deutschland, den Niederlanden und Sri Lanka. Auch Irak und Syrien soll diese Technologie angeboten worden sein, doch sei es dabei nie zu einem Handel gekommen. Millionen von Dollars seien auf die Konten in Dubai geflossen, deren Hauptnutznießer Khan und Farooq waren. Khan soll damit nicht nur eine Reihe von Grundstücken in Dubai und Pakistan erworben und seinen Töchtern zur Hochzeit Häuser und Autos geschenkt haben.
Diese schwer wiegenden Verfehlungen seien möglich geworden, schreibt The News, weil Khan im pakistanischen Nuklear-Establishment während Jahrzehnten eine praktisch uneingeschränkte Macht ausüben konnte, wie es der Name des wichtigsten nationalen Atom-Forschungsinstituts „Khan Research Laboratories“ (KRL) ahnen lässt. So konnte es geschehen, dass das „teuerste Ausgabenprogramm in der Geschichte der Nation“, das mindestens 10 Milliarden Dollars verschlungen hat, praktisch keinen finanziellen Kontrollen unterworfen war. Rund 50.000 Personen, darunter 6.000 Wissenschafter, sind laut dem Sprecher des Außenministeriums im Atomforschungsprogramm beschäftigt.
Khans uneingeschränkte Autorität liegt jedoch nicht nur in seinen Ingenieurkenntnissen oder im Vorwand der Geheimhaltung begründet. Verschiedene Beobachter, darunter ein ehemaliger US-Botschafter in Pakistan, haben ausgesagt, dass die Armee und ihr Geheimdienst ISI über die Tätigkeit Khans zumindest unterrichtet waren. In den letzten Wochen fiel dabei immer wieder der Name von Mirza Aslam Beg, dem Armeechef von 1988 bis 1991. Er soll im Schatten einer beabsichtigten Zusammenarbeit bei der Atomenergie auch Pläne zur Kooperation bei der Waffenentwicklung verfolgt haben. Mirza hat in Interviews mit US-Zeitungen diese Vorwürfe als westliches Komplott zurückgewiesen. Die jüngsten Anschuldigungen gegen Khan lassen nun aber die Vermutung zu, dass dieser die Regierungskontakte für seine Geschäfte nutzte, und dass die Armeeführung dabei bewusst den Blick abwandte.BERNARD IMHASLY