: Lettlands Regierung bricht auseinander
Christdemokratische „Erste Partei“ verlässt Koalition. Hintergrund: Korruptionsvorwürfe gegen den Regierungschef
STOCKHOLM taz ■ Drei Monate vor dem EU-Beitritt ist Lettlands Regierungskoalition auseinander gebrochen. Die christdemokratisch-konservative „Erste Partei“ kündigte am Mittwochabend ihre Zusammenarbeit mit Ministerpräsident Einars Repse auf, nachdem dieser zwei Tag vorher ihren Parteivorsitzenden und seinen Stellvertreter Ainars Slesers entlassen hatte. Repse hatte den Hinauswurf damit begründet, dass der Vizeministerpräsident „unfähig“ sei. So habe er es bei der Vorbereitung der Eishockey-Weltmeisterschaft, die 2006 in Lettland stattfinden soll, nicht geschafft, genügend Investoren und Sponsoren aufzutreiben. Er könne „nicht die geringsten“ Aufgaben erledigen und mache viele Auslandsreisen ohne Rückmeldung an Parlament und Regierung über deren Zweck und Ergebnisse.
Slesers wies diese Anschuldigungen als unrichtig zurück und äußerte die Vermutung, dass seine Entlassung im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen steht, mit denen Repse sich derzeit konfrontiert sieht. Die Tageszeitung Diena hatte berichtet, dass der Ministerpräsident von zwei Banken Darlehen zu Sonderkonditionen erhalten hatte. Zur Untersuchung der Vorwürfe waren Unterschriften zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gesammelt worden, für den neben Abgeordneten der Opposition auch drei Parlamentarier der „Ersten Partei“ gestimmt hatten. Der Ausschuss soll auch die Frage der Unabhängigkeit der von Repse initiierten „Antikorruptions-Behörde“ von der Regierung unter die Lupe nehmen.
Mit dem Ausscheiden der „Ersten Partei“ ist die Regierung ohne Mehrheit. Vor dem Bruch hatte Lettlands Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga die Koalition aufgefordert, wenigstens bis zum EU-Beitritt im Mai zusammenzuhalten. Schon im letzten Herbst wäre die Regierung fast gescheitert. Damals waren Vorwürfe der Hintergrund über den autoritären Führungsstil von Premier Repse. Dieser kündigte nun an, mit einer Minderheitsregierung im Amt bleiben zu wollen, bis ein neuer Koalitionspartner gefunden sei. Das dürfte schwierig sein, da alle Oppositionsparteien entweder als links gelten oder die Interessen der russischen Minderheit vertreten. Repses verbleibenden Koalitionspartner, die Rechtsparteien „Vaterland und Freiheit“ und „Die Grünen – Bauernpartei“ lehnen eine Zusammenarbeit mit diesen Parteien strikt ab.
Präsidentin Vike-Freiberga machte unterdessen klar, dass sie eine Minderheitsregierung für „nicht praktikabel“ halte. Alles scheint daher auf Neuwahlen hinauszulaufen. Die Präsidentin hat das Recht, das Parlament aufzulösen und diese auszuschreiben. REINHARD WOLFF