Bulmahn für ein Ende der ZVS

Bildungsstaatssekretär Matschie denkt die elitären Ideen seiner Ministerin weiter: Er findet die ZVS überflüssig. Erst reagiert Bulmahn empört. Dann stimmt sie zu

BERLIN taz ■ Ist der Mann mit den roten Haaren der neue Watschenmann von Edelgard Bulmahn? Nein – Christoph Matschie, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, ist der neue Leitwolf. Bildungsministerin Bulmahn (SPD) ohrfeigte ihren Vize Matschie gestern zwar zunächst, weil der die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für überflüssig erklärt hatte. „Das ist nicht unsere Politik“, ließ sie verlautbaren. Wenige Stunden später aber folgte Bulmahn dem jungen Thüringer SPD-Landesvorsitzenden. Die Kehrtwende ist symptomatisch für das Tohuwabohu, das die Regierungsparteien derzeit bildungspolitisch veranstalten.

Als Bulmahn gestern Nachmittag im Deutschlandfunk erläuterte, dass sie nun keine Einwände mehr gegen die Schließung der Zentralstelle habe, kam dies einer kleinen Revolution gleich. Noch vor wenigen Monaten hatte die Ministerin eine gleich lautende Forderung der Länder brüsk abgelehnt. Nun sagte die Bildungsministerin, sie befürworte eine Änderung des Status der Zentralstelle – sofern die Studienplatzvergabe auch weiterhin gerecht und praktikabel bliebe.

Die Dortmunder Landverschickungsanstalt für Studenten, wie sie gerne verspottet wird, ist eine höchst bürokratische Apparatur – aber in Zeiten der Hochschulüberlastung ist sie zugleich eine essenzielle Zuteilungsbehörde für Studienplätze. Solange die Länder nicht bereit sind, ihre Hochschulen adäquat zu finanzieren, und das sind sie seit 30 Jahren nicht, sichert die Zentralstelle das Recht auf Bildung für Studierwillige.

Matschie sagte der taz, er befürworte es, „dass die Hochschulen sich ihre Studierenden weitgehend selbst auswählen“. Das habe die logische Folge, dass die ZVS überflüssig werde. Matschie, der zu Beginn der Wahlperiode zum Vize Bulmahns aufrückte, hat damit nur konsequent zu Ende gedacht, was seine Chefin mit der Etablierung von Spitzenhochschulen als Zukunftsvision in die Welt gesetzt hatte. Wer Geld für Extrazuschüsse des Bundes in die besten Unis der Länder pumpen will, muss diesen erlauben, ihre Studierenden selbst auszuwählen. Bislang geht das nur bei 50 Prozent der Studienbewerber.

Bei der SPD-Linken gibt es indes grundsätzliche Bedenken gegen die Hochschulpolitik von Kanzler und Ministerin Bulmahn. Viele Abgeordnete sind verschnupft darüber, wie weit ihnen die Regierung davongeeilt ist. Weil die beiden Spitzensozis aber nicht lädiert werden dürfen, hält man sich am Staatssekretär mit den roten Ohren schadlos: „Wir brauchen Reformen, aber keine Abzocke bei der jungen Generation“, mahnte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, in Richtung Matschie. Der hatte zuvor betont, es sei falsch, „Studiengebühren zum grundsätzlichen Tabu zu machen“.

Allerdings, so Matschie zur taz, sei das Bezahlstudium im Moment kein praktikabler und zielführender Ansatz. Dem Kanzler ist es gelungen, das verschlafene Politikfeld Bildung samt Akteuren wachzurütteln. Es wird wacker gestritten in der SPD. Die Länder-Sozialdemokraten etwa sind verärgert über die Idee, wenige Hochschulen als Ganzes zu fördern. Sie haben – wie Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) – Angst, dass die wenigen exzellenten Fachbereiche ihrer Unis dann keine Chance auf Bundeszuschüsse haben.

Und bei den Grünen geht es sowieso drunter und drüber. Da ist man, mit aller Verve, mal für Studiengebühren, wie der Ex-Fraktionschef Fritz Kuhn, mal dagegen, wie die amtierende Fraktionschefin Krista Sager. Einmal attackiert man den Rückzug des Bundes aus dem Hochschulbau, dann aber beklatscht man ihn. CHRISTIAN FÜLLER