Brötchen mit Lerchenklang

Auf dem „Lämmerhof“ im schleswig-holsteinischen Panten kämpfen die Betreiber enthusiastisch um jeden Zentimeter Natur – und erhielten dafür den Förderpreis „Ökologischer Landbau 2004“

Von PATRICK TIEDE

Da sage noch einer, die deutsche Landwirtschaft böte keinen Platz für Märchen: Es war einmal ein junger Bauer in Schleswig-Holstein, der erbte viel Land und auch nicht wenig Vieh und hatte damit ein geregeltes Auskommen. Doch eines Tages bemerkte er, dass auf den Feldern gar keine Blumen blühen und auch kein Vogel zwitschert. Aus Sehnsucht nach der Natur tauschte er einen Gutteil seines Landes gegen ein altes Moorgebiet ein. Die Nachbarn wunderten sich sehr, erst recht, als viele Kunden kamen, um seine Waren zu kaufen. Der Bauer, obwohl er nun zwar weniger Felder, aber viel urwüchsige Natur sein eigen nennen konnte, wurde ein sehr angesehener Mann und erhielt schließlich am 23. Januar des Jahres 2004 auf der „Grünen Woche“ in Berlin den Förderpreis „Ökologischer Landbau“.

Statt Afrika lieber öko in Schleswig-Holstein

Detlev Hack ist dieser Bauer, und das Märchen ist kein Märchen. Der 42-Jährige stand auf der großen Bühne in der Hauptstadt und Verbraucherschutzministerin Renate Künast schüttelte ihm jene Hand, die sonst den Schweinen den Schrot zuteilt. Hack freute sich über den 10.000-Euro-Scheck und war froh, als er da wieder weg war. Denn seine Sache sind solche Veranstaltungen nebst Auszeichnungen eigentlich nicht.

Hacks Metier ist die Landwirtschaft. Im Einklang mit der Natur, betrieben auf dem „Lämmerhof“ in Panten bei Ratzeburg. Hier wuchs der Junge im elterlichen Betrieb auf. Nach Auszeichnungen roch es damals eher nicht, mehr schon nach Massentierhaltung mit den üblichen Nebenerscheinungen. Nichts für Hack. Als er den Betrieb übernehmen sollte, brannte er mit der Freundin nach Afrika durch: „Ich wollte raus. Es war ein Moloch“, sagt er heute. In fernen Ländern rückte der junge Landwirt noch näher an die Natur heran. Die Sehnsucht nach dem „ollen Flecken in der Heimat“ aber blieb. Schießlich hörte er 1989 davon, dass die Bundesrepublik fortan ökologischen Landbau staatlich fördern würde. Hack war Feuer und Flamme. Zwischen Vater und Sohn glühten die Telefondrähte heiß. Dann der Deal: Der Junior kehrt zurück in den Schoß der Familie und richtet den Betrieb ökologisch aus.

Wer heute über das Gelände schlendert, sieht Detlev Hacks Visionen verwirklicht. Schon von der Straße aus fällt der moderne Schweinestall auf. Keine Trapezblechbauweise, kein Betonkoloss. Ein gemütlicher Holzbau mit garantiertem Wohnzimmerfeeling. 150 Rüssler grunzen in recht bequemen Boxen. Vor der Tür warten beeindruckende Weiten zum Auslauf. Gruppen von je 15 Tieren tummeln sich auf 4.000 Quadratmetern. „Kein Schwein braucht so viel Platz“, lacht Detlev Hack: „Doch sie kriegen ihn trotzdem.“ Genau wie die 25 Angus-Rinder. Die dürfen je nach Vegetationszeit sogar über sämtliche Ackerflächen ziehen. Zäune werden da überflüssig. Lieber pflanzt der Bauer einen „Knick“, jene natürliche Flächenbegrenzung aus Buschwerk, die so gut in das Konzept urwüchsiger Gestaltung passt.

„Das Moor ist mein Fernsehprogramm“

Die Weiten des „Lämmerhofes“ lassen erahnen, wie es auf deutschen Feldern früher einmal ausgesehen haben muss. Sträucher, Minibiotope in kleinen Senken, muntere Wasserläufe, die sich einen Hang hinunter schlängeln. Und dann ist da dieses Moor inmitten der Grünlandflächen. Wer es sieht, muss zwangsläufig an Hacks ökonomischem Sachverstand zweifeln. Jeder normale Landwirt würde alles dafür geben, diesen Sumpf trockenzulegen. Nicht aber Hack. Er baute das Feuchtbiotop sogar zurück und gab so freiwillig wertvolles Ackerland her. 40 Hektar umfasst das Moor inzwischen. Nun blickt er in die Wipfel der toten Birken. Oben im Geäst hält gerade ein Seeadlerpaar Ausschau nach Beute. Der Bauer: „Das ist mein Fernsehprogramm. Hier gibt es so viel zu entdecken.“

Gästen zeigt er dieses Kleinod gerne und erklärt, wie stark der Wasserpegel anstieg, seitdem er die Rohrsysteme aus den Wiesen riss, welche Vögel jetzt hier wieder brüten und auch, dass seine Produkte ein paar Cent mehr kosten würden, weil er sich in diesen Flecken Erde so verliebt hat. „Leben muss ich ja auch irgendwie“, schmunzelt der Landwirt und verweist auf Mitinhaber Christian Brüggemann. Der betreibt mit seiner Frau Urte im benachbarten Mannhagen den Ökoladen des „Lämmerhofs“. Hier ist vom frischen Schinken bis zur Gesichtscreme alles zu haben. Hack und Brüggemann verbindet mehr als das Geschäft. Sie sind Freunde, die schon immer gleiche Ideale hatten. Seit 14 Jahren gehört ihnen der Hof gemeinsam. Die Träume von einer Kommune in der alten Scheune aber sind ausgeträumt. Als Hack „noch ein Stück linker war als jetzt“ und auf dem Hof allerlei Volk versammelte, ging es drunter und drüber. Heute herrscht eher geregeltes Idyll. Seine Frau Ute Thode kümmert sich um Öffentlichkeitsarbeit, die zwei Kinder toben über das Gelände. Kunden fahren vor, wollen das Moor sehen und ordern ihre Lebensmittel.

Für die Heimfahrt hat Detlev Hack mit schelmischem Grinsen dann noch einen Tipp parat: „Wer ganz still ist und das Brötchen ans Ohr hält, der kann darin die Feldlerche singen hören.“