: Planspiele für die Nachkriegszeit
Unklar ist noch, ob der Wiederaufbau Iraks im Rahmen eines UN-Mandats erfolgen soll oder ob jedes Land im Alleingang Projekte ins Leben rufen wird
von ANETT KELLER, KATHARINA KOUFEN und DANIELA WEINGÄRTNER
Erste Planskizzen für den Wiederaufbau Iraks liegen in diversen Schubladen bereit. Doch da bleiben sie im Moment auch. Die deutsche Regierung stritt gestern noch ab, dass solche Pläne überhaupt gemacht würden. „Noch ist der Krieg nicht da, wir haben uns bis jetzt auf eine friedliche Lösung konzentriert“, so die Sprachregelung. Im Entwicklungsministerium und bei dessen ausführendem Arm, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), gibt es laut interner Berichte jedoch „erste Pläne“ für ein Engagement im Nachkriegs-Irak.
Weniger schamhaft als die Regierung bereiten sich die politischen Stiftungen auf den Wiederaufbau vor. In der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung telefonierten die Nahost-Experten gestern „jeder Art von Ansprechpartnern“ hinterher, die „schon mal was mit Deutschland zu tun hatten“. Ärzten zum Beispiel, die ein Stipendium hatten, oder Exilirakern. Projekte sind vor allem in den Bereichen Bildung, Demokratisierung und Rechtsberatung geplant. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung will sich um Föderalismus kümmern und bei der „De-Baathisierung“ helfen.
Konkrete Pläne für die Zeit nach dem Krieg liegen auch bei einigen nichtstaatlichen Entwicklungshelfern in der Schublade. Das dringlichste Problem ist die Wasserversorgung. „Fast sämtliche Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung sind in desolatem Zustand“, sagt Walter Papenhagen, der beim Deutschen Roten Kreuz für das Land zuständig ist.
Auch bei Care International bauen seit 1991 lokale Care-Mitarbeiter in Zentral- und Südirak Anlagen zur Trinkwasserversorgung und verteilen Nahrungsmittel in Kinderkrankenhäusern. „Wir sind keine Organisation, die mal schnell irgendwo reingeht und sich ebenso schnell zurückzieht“, so Care-Nothilfekoordinatorin Edith Wallmeier. Trotz des langfristigen Engagements im Irak denkt Care aber noch nicht an den Wiederaufbau. „Wir haben mit der vorhandenen Katastrophe wirklich genug zu tun“, so Wallmeier. Auch bei World Vision will man noch nicht spekulieren: „Auswärtiges Amt und EU wollen im Momant noch keine Projektanträge sehen“, so der Leiter für humanitäre Hilfe, Wolfgang Jamann. Denn noch ist unklar, ob der Wiederaufbau des Iraks im Rahmen eines neuen UN-Mandats erfolgen soll oder jedes Land im Alleingang Projekte ins Leben ruft. Die Bundesregierung hat signalisiert, dass sie die Zuständigkeit beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP sieht. Dahinter steht die Befürchtung, dass andernfalls die USA auch hier ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen könnten (siehe Interview).
„Mithilfe beim Wiederaufbau unter UNO-Regie“, so auch die offizielle Haltung der EU-Kommission. Zumindest dann, so die Botschaft, soll wieder einheitlich und im Rahmen des Völkerrechts gehandelt werden. Der Sprecher von Kommissionspräsident Prodi räumte am Dienstag aber ein, dass es angesichts der tiefen Spaltung der Union schwierig sei, Pläne für die Nachkriegszeit zu machen.
Zwar wird hinter den Kulissen in der Abteilung für humanitäre Hilfe und im Planungsstab der Kriseninterventionskräfte bereits an Einsatzplänen gearbeitet. Nach außen dringt davon aber wenig, da die EU die Kriegslogik nicht weiter anheizen will. Dennoch ist jetzt schon klar, dass die EU, die derzeit den größten Anteil an humanitärer Hilfe trägt, auch nach dem Krieg eine Schlüsselrolle spielen wird.