: Bombenstimmung in München
Countryfans und Freizeitcowboys feiern wenige Stunden vor den ersten Raketen auf Bagdad beim Konzert der Dixie Chicks eine Riesenparty: „Noch ist ja kein Krieg“
MÜNCHEN taz ■ Klaus trägt die Stars & Stripes am Körper. Und einen Cowboyhut auf dem Kopf. Er ist extra aus der Nähe von Ingolstadt nach München gefahren, um an diesem Abend die Dixie Chicks zu sehen. Es ist das einzige Konzert der momentan angesagtesten US-Country-Band in Deutschland. Schon blöd, dass es am Mittwochabend, nur ein paar Stunden vor dem Auslaufen des Ultimatums, stattfindet, oder? „Warum?“, fragt Klaus. „Was hat das mit dem Konzert zu tun? Wir wollen nur eine Party feiern. Außerdem ist ja noch kein Krieg.“
Also steigt die Party in der Münchner Georg-Elser-Halle. Es ist eine große USA-, Cowboy- und Western-Party am Vorabend des Krieges, denn die Hälfte der Besucher sieht so aus wie Klaus. Manche tragen Lederjacken mit den Wappen von US-Kampfeinheiten. Auf der Bühne singen die Dixie Chicks von „White Trash Weddings“ und Soldaten, die in Vietnam blieben. Das Frauen-Trio aus Texas ist alles andere als eine Redneck-Kapelle, aber über den Krieg, der doch gleich nach dem Auftritt losgehen wird, verlieren sie kein Wort. Vor Tagen hat Sängerin Natalie Maines gesagt, dass sie sich dafür schäme, „dass der Präsident auch aus Texas kommt“. Danach haben Radiostationen im Süden der USA die Songs der Band aus dem Programm gestrichen – „wegen unpatriotischen Verhaltens“.
In diesen Zeiten hält man besser den Mund. Auch wenn unter den deutschen Fans alles andere als Kriegsbegeisterung herrscht. Zwar wollen eine paar Betrunkene „Saddam gleich den Arsch wegbomben“, aber den meisten geht es wie Klaus: „Gut ist das alles nicht. Hauptsache, hier geht keine Bombe hoch.“
Adel befürchtet, dass die Bomben schon explodiert sind. Es ist mittlerweile Donnerstagmorgen, und der Krieg hat begonnen. Adel stammt aus Irak und ist vor fünf Jahren nach Deutschland geflohen. Der größte Teil seiner Familie lebt noch in der Nähe von Basra. Seit einer Stunde steht Adel nun im Telecafé beim Münchner Hauptbahnhof, von dem er regelmäßig zu Hause anruft. Doch heute kommt einfach keine Verbindung zustande. „Das ist nicht so ungewöhnlich“, sagt er, „aber heute macht es mir Angst. Es weiß doch niemand, was gerade passiert.“ Selbst wenn er jemanden an den Apparat bekommt, weiß Adel aber nicht, ob er alles erfährt. Alles Politische und erst recht Militärische ist am Telefon tabu, denn Saddam hört immer mit. „Saddam muss weg“, sagt Adel, „aber ein Krieg macht alles nur schlimmer.“ Dann wählt er wieder eine lange, lange Nummer. Keine Verbindung. JÖRG SCHALLENBERG