: Und die Blumen sind für Mutti
Der 1. FC Köln, also die ganze Stadt, feiert karnevalsmäßig den 18-jährigen Jungprinzen Lukas Podolski, der beim 1:0 gegen Lieblingsfeind Borussia Mönchengladbach gedankenfrei golden goalte
AUS KÖLN BERND MÜLLENDER
Zarte 18 ist der bullige Kölner A-Jugend-Stürmer mit den weißen Schuhen. Und endgültig, also zumindest für die nächsten Tage, ist Lukas Podolski neuer Volksheld „in der schönsten Stadt der Welt“, wie der kölsche Stadionsprecher das Publikum immer begrüßt. Schließlich hat Podolski das entscheidende Tor im Nostalgieduell mit Borussia Mönchengladbach erzielt, Kölns Lieblingsfeind. Und der FC steht nach der Premiere im erstmals komplett besetzten RheinEnergieStadion (50.997 Zuschauer) nicht mehr auf einem Abstiegsplatz.
Schon vor dem Spiel war Podolski bei einer Fan-Abstimmung des kicker Sportmagazin vor Roy Makaay zum „Spieler des Monats Dezember“ gewählt und mit einem Blumenstrauß geehrt worden. So recht wusste man nicht warum. Gut, er hatte als Neuling bei ein paar ordentlichen Auftritten auch zwei Tore in fünf Spielen geschossen. Vielleicht war die Ehrung als Anleihe auf die Zukunft gedacht, was ja groß in Mode ist in der Bundesliga, wenn sonst auch finanziell. Und im Stadionheft, dem „GeißbockEcho“, war Podolski 14 mal abgebildet. Nur der Bock war häufiger zu sehen.
Die sportliche Anleihe zog. Nach dem frechen Tor (52. Minute) in einem mäßig prickelnden Rheinderby geriet der „Express“ außer sich: „Prinz Poldi, der neue Regent im Kölner Fußball-Karneval“. Es sei schier „herrlich“ gewesen, wie „der Jungmann, fast noch ein Kinderprinz“, nachher „seine Rein-Raus-Gedanken“ beschrieben habe: „Erst hab ich gedacht: den Ball einfach reinmachen. Dann: Die Freude einfach rausschreien.“
Podolskis Trainer, der smarte Schweizer Marcel Koller, sieht das nüchterner. Lukas habe „ein gutes Auge, entscheidende Ruhe - für einen 18-Jährigen nicht selbstverständlich“. Kurios, wie der Nobody im Millionen-Business zum Profikader stieß. Koller hatte ihn auf Anraten anderer „mal im A-Jugend-Training beobachtet und gesagt, der soll mal vier Tage bei uns mitmachen. Da hat er sich voll reingehängt.“ Andere Offensivkräfte wie Lottner, Scherz und Ebbers wärmen seitdem die Bank, Helbig ist verkauft.
Podolski, geboren im polnischen Gliwice (Gleiwitz), spielt seit der D-Jugend beim FC und hat 18 Auftritte in der U-19-Nationalelf absolviert. Beraten wird er von Norbert Pflippen, dem ehemaligen Matthäus-Macher. Faszinierend ist seine Schnelligkeit, auffällig wie er Zweikämpfe sucht mit einem seltsam schlurfenden Laufstil. Im Strafraum gilt Explosionsgefahr. dpa lobt, er sei “abgezockt wie Gerd Müller“. Dessen Motto lautete: „Wenn‘s denkst, ist eh zu spät.“
Gespräche mit und über Podolski gerieten am Samstag zur Endlosschleife. Trainer Koller findet „Lukas vom Charakter her sehr bodenständig“. Frage an Podolski, was das wohl heiße: „Da müssen Sie den Trainer fragen.“ Also gut, Herr Koller, Lukas hat die Frage zurückgegeben. Koller lacht. „Der geht eben auf den Platz und spielt sein Spiel. Vom Typ her sucht der nicht das Rampenlicht. Und hebt nicht ab. Es sind nur kleine Dinge, die ich ihm sagen muss.“ Welche waren das? Koller völlig losgelöst: „Da müssen Sie den Lukas fragen.“
Schnörkellos wie sein Spiel sind auch Podolskis Antworten auf die wichtigen Fragen der Fußballwelt. Erfolgsrezept? „Ich spiele einfach wie in der A-Jugend.“ Ob ihm die vergangenen Monate wie ein Wunder vorkommen? Nein, sagt er mit sonnigem Jungenlachen, das alles sei doch „ganz normal“. Wie das Tor war? „Augen zu und durch.“ Konkreter vielleicht? „Ich hab abgezogen, der Ball war drin. Vor dem Tor bin ich eiskalt.“ Und die gelbe Karte wegen unbotmäßigen Jubelns mit Trikot-Strip: „Ist egal!“ Was jetzt werde mit ihm? „Man muss immer weiter Gas geben.“ Und der FC? „Wir haben 17 Endspiele. Und das erste gewonnen.“
Es war eines, dass das Prädikat „grausames Spiel“ verdient hatte, wie Gladbachs Sportdirektor Christian Hochstätter befand. Zweimal innerhalb von fünf Sekunden hatten die ansonsten kombinationsschwachen Borussen den Pfosten getroffen. „Da haben wir viel Glück gehabt“, fand Podolskis Sturmpartner Andrej Voronin. Akute Abstiegsgefahr bleibt für beide Elfen bestehen. Klasse zeigten nur Gladbachs Fans mit dem dadaistischen Sprechchor Richtung FC-Südtribüne: „Für ein Heimspiel seid Ihr ganz schön laut...“
Podolskis Trikot hatte nachher der Herr Papa bekommen. Und die Blumen, die der Jungstar nach dem Spiel noch herumschleppte wie eine Last: „Die sind für meine Mutter.“ Das ist bodenständiger Familiensinn von Prinz Poldi, den sein Trainer fürderhin „wie ein zartes Gewächs behüten“ will.
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