: Täter oder Opfer?
Er wäre für die Stasi ein Volltreffer gewesen: Der damalige Redakteur des Bayrischen Rundfunks, Bernhard Wabnitz, wurde als Inoffizieller Mitarbeiter geführt. Experten zweifeln an seiner aktiven Mitarbeit, und Wabnitz wehrt sich
Mitte der Siebzigerjahre ging das Leipziger Jugendforschungsinstitut der Frage nach, welche Kräfte auf die Bewusstseinsbildung junger DDR-Bürger einwirkten. Fast 70 Prozent gaben an, die Medien und die Kirchen würden ihre politische Haltung beeinflussen. Jeder zweite Ost-Jugendliche schaltete „imperialistische Rundfunksender“ ein.
In dieser Konstellation wäre Dr. Bernhard Wabnitz, einst Volontär der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) und in den Achtzigerjahren Redakteur des Bayerischen Rundfunks, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi ein Volltreffer gewesen: Wabnitz hätte sowohl aus dem medialen System des Klassenfeindes als auch Interna aus Kirchenkreisen reportieren können.
Seit vergangener Woche wissen wir: Wabnitz wurde als IM geführt. Die von der Stasiunterlagenbehörde herausgegebene Akte weist auf den Decknamen „Junior“ hin. Bis heute ist aber offen, ob Wabnitz der DDR aktiv zugearbeitet hat. Er bestreitet das.
Unklar ist etwa, ob Wabnitz, wie in der Akte vermerkt, Protokolle über Vorgänge in der katholischen Kirche und der CSU abgesetzt hat. Ausgewiesene Experten wie der SED-Forscher Jochen Staadt sind „sehr skeptisch“. Denn auch folgende Szenarien sind möglich: Wabnitz könnte abgeschöpft worden sein. In diesem Fall wären Wabnitz’ Informationen ohne dessen Kenntnis, aber unter seinem Namen vermerkt worden – und er nicht Täter, sondern Opfer. Oder ein Stasimitarbeiter hat Wabnitz als fiktiven IM angelegt, um sich intern mit dem Namen zu brüsten.
Wabnitz wehrt sich jedenfalls mit allen juristischen Mitteln gegen den Verdacht, „wissentlich oder willentlich“ IM gewesen zu sein. Vom Springer-Verlag, der in seiner Welt erstmals und zugespitzt über den Aktenfund berichtet hatte, will der heutige ARD-Korrespondent in Rom 100.000 Euro haben. Außerdem hat Wabnitz über seinen Münchner Anwalt Gero Himmelsbach Strafantrag gegen die Verantwortlichen der Stasiunterlagenbehörde gestellt.
Die Berliner Behörde hat Anfang dieser Woche weitere Akten veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass „Juniors“ Führungsoffizier Rainer D. mit einem KNA-Redakteur und einem Benediktinerpater andere in das Muster passende West-Mitarbeiter rekrutiert hatte. Eine Verbindung zwischen den beiden und Wabnitz ist jedoch nicht ersichtlich. Der wiederum wartet auf Akteneinsicht und darf von den 56 ihn betreffenden Seiten nur zwei sehen – eine durchaus groteske Gesetzgebung. DANIEL BOUHS