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Archiv-Artikel

Die Leiden des Schlebrowski

Union ist ein Sanierungsfall. Das Sparrezept: Kein neues Stadion, nur Nobodys für die Rückrunde

VON JÜRGEN SCHULZ

Statt über Vierer-Abwehrketten oder Traum-Transfers zu philosophieren, wie es Fußballpräsidenten gerne tun, doziert Jürgen Schlebrowski über Rangrücktrittsdarlehen und die negative Entwicklung des Eigenkapitals. „Spaß macht mir das nicht“, gesteht der Chef des 1. FC Union. Aber es gibt kein Entrinnen. „Union ist ein Sanierungsfall“, sagt Schlebrowski, im Brotberuf Strategiemanager am Grönemeyer-Institut für Mikrotherapie in Bochum.

Nach dem Absturz in den Tabellenkeller durchschritten die „Eisernen“ aus Köpenick vor Beginn der Rückrunde auch finanziell eine Talsohle. Der Club, der vor sechs Jahren knapp dem Konkurs entging und danach ökonomische Vernunft gelobte, ist rückfällig geworden. Jürgen Schlebrowski weist jede Schuld an dem von ihm nicht näher bezifferten Loch in der Vereinskasse zurück: „Seit meinem Amtsantritt am 12. Oktober 2003 wurden keine Schulden mehr gemacht.“

Sein Vorgänger, der stets als Union-Retter aufgetretene Heiner Bertram, gerät plötzlich in den Verdacht, ein gefährliches Doppelleben geführt zu haben. „Über die letzten Jahre sind immer Schulden geschoben worden. Es gab kein Konzept, es wurde munter weitergewirtschaftet. Wir haben ein extrem schweres Erbe angetreten“, schimpft Nachfolger Schlebrowski. Wie es scheint, hat der am 9. Oktober geschasste Bertram auf die im Sommer 2002 eskalierende Kirch-Krise, die zu drastisch sinkenden Fernsehgeldern in den Profiligen führte, zu spät reagiert. Die Lektüre von Verträgen mit Spielern und deren Beratern führt bei Schlebrowski zu heftigem Kopfschütteln. „Was die Honorare für Berater anbetrifft, waren wir Liga-Spitze“, klagt der neue Union-Boss.

Dagegen wurde Unions Hauptgläubiger Michael Kölmel wie ein Stiefkind behandelt. Die fälligen Rückzahlungen an den früheren Union-Vermarkter („Sportwelt“) sollen angeblich ab 2002 vollständig eingestellt worden sein. Nach „teilweise dramatischen Stunden am Verhandlungstisch“, erzählt Schlebrowski, habe sich Kölmel schließlich bereit erklärt, ein gewährtes Darlehen über 9 Millionen Euro zum 31. Dezember 2003 in ein Rangrücktrittsdarlehen umzuwandeln. Damit konnte Union seine Jahresbilanz in Ordnung bringen. „Ohne Kölmels Entgegenkommen wären bei uns die Lichter ausgegangen“, sagt Aufsichtsrat Jürgen Dubois.

Leider hat sich das Berliner Hickhack bis zur Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt/Main herumgesprochen. „Es wird Sanktionen geben“, fürchtet Schlebrowski vor dem Mitte März beginnenden Lizenzierungsverfahren für die Spielzeit 2004/2005. Um das (wirtschaftliche) Startrecht Unions in der Zweiten Liga ist ihm trotzdem nicht Bange: „Da bin ich recht entspannt.“ Das von Bertram im Sommer vollmundig angekündigte Projekt eines 30 Millionen Euro teuren Stadionneubaus in der Wuhlheide legt der Nachfolger ad acta. Schlebrowski: „Wir wollen keine Denkmäler bauen. Die Alternative ist, unser Stadion sukzessive zu renovieren.“

Wesentlich nervöser als sein Chef blickt Trainer Mirko Votava dem Restprogramm in der laufenden Saison entgegen. Er muss sportlich ausbaden, was das frühere Präsidium den Eisernen finanziell eingebrockt hat. „Leider sind in erfolgreichen Zeiten keine Rücklagen gebildet worden. Da sind einige Leute wohl aufs Glatteis gegangen“, klagt Votava.

Statt „zwei bis drei Spieler, die uns sofort weiterhelfen,“ verpflichten zu können, wie es geplant war, durfte Votava in der Winterpause lediglich Nobodys wie Tomas Brusko (20/Dynamo Kiew), David Siradze (22/Lok Tiflis), Dian Popov (23/Fortuna Köln) sowie Robert Vujevic (23/VfB Stuttgart, Amateure) testen. Ob dieses Talentquartett rechtzeitig zum Rückrundenstart gegen Mainz verpflichtet werden konnte, stand bis kurz vor Anpfiff der Partie nicht fest (siehe Kasten).