Leben eingehaucht

Unter Bundestrainer Hagen Stamm qualifizieren sich die deutschen Wasserballer überraschend für Olympia

BERLIN dpa/taz ■ Als die Überraschung perfekt war, hielt es Christa Thiel im Vasco-da-Gama-Club von Rio de Janeiro nicht mehr auf ihrem Sitz. Die Präsidentin des Deutschen Schwimm- Verbandes (DSV) warf sich ohne langes Federlesen und mitten hinein ins angenehm kühle Nass, um mit ihren Wasserballern die erfolgreiche Olympia-Qualifikation standesgemäß zu feiern. „Die Jungs haben Unglaubliches geleistet“, sagte die 49-Jährige nach dem 9:8 gegen Weltcupsieger Russland im Halbfinale des Ausscheidungsturniers für Athen – und nachdem sie wieder einigermaßen trocken war.

Auch die Spieler werteten den Erfolg als das, was er de facto ist: als kleines Wunder. „Wir sind in Athen. Ich bin völlig sprachlos“, sagte der überragende Torhüter Alexander Tchigir, der mit seinen 36 Jahren im Sommer nun noch einmal Olympia genießen darf. Er ist der einzige Spieler des DSV-Teams, der diese Erfahrung schon gemacht hat, 1992 mit der GUS-Auswahl in Barcelona. „Für alle anderen ist Olympia Neuland. Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Jungs, dass sie es geschafft haben“, kommentierte Bundestrainer Hagen Stamm den unerwarteten Erfolg über Russland, den Olympia-Zweiten von Sydney, der das gestrige Finale gegen Kroatien (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) zur netten, aber mehr oder weniger unbedeutenden Zugabe machte.

50.000 Euro hat das Unternehmen Rio gekostet – Geld, das jetzt gut angelegt ist. Denn ein abermaliges Scheitern an der Hürde Olympia wie vor vier Jahren in Hannover hätte ein Ende der finanziellen Förderung bedeutet. Diese Gefahr ist nun gebannt. „Die Angst hat mitgespielt, sie war immer da. Aber jetzt können wir uns nur beim Deutschen Sportbund und bei der Sporthilfe bedanken“, erwies der Bundestrainer noch in der Minute des Sieges den Organisationen, die die Athen-Reise letzten Endes ermöglicht haben, brav seine Reverenz.

Den größten Anteil am Aufschwung, daran gibt es keinen Zweifel, trägt der Trainer freilich selbst. Als Spieler war Hagen Stamm Center von Weltklasse und zweimal Europameister; diese Erfahrung und vor allem das Wissen, wie Wasserball geht, bringt er nun als Trainer ein. Dabei ist der Berliner zum Bundestrainerjob gekommen, wie die Jungfrau zum Kind – oder wie Rudi Völler zu seinem Job: Stamm nahm das Amt vor drei Jahren an, als das deutsche Wasserball ziemlich vor sich hinsiechte – und keiner sonst den Job machen wollte. „Er will die rückläufige Tendenz aufhalten und dem Wasserball neues Leben einhauchen“, sagt Klaus Nottrodt, der Leistungssportwart des Deutschen Schwimmverbandes (DSV).

Mit der Olympiaqualifikation ist Stamm und seinen schwimmenden Hünen das erstmals so richtig gelungen. Und auch der Trainer wertet das durchaus so: Nach langen Jahren des Darbens – die letzte internationale Medaille mit Bronze bei der EM 1995 ist schon fast vergessen – sieht er jedenfalls Licht am Ende des Tunnels: „Wir haben gezeigt, dass wir das Zeug dazu haben, vielleicht bald wieder zur Weltspitze zu gehören.“

Dorthin ist der Weg noch weit, der 11. Platz der WM 2003 liegt schließlich erst sieben Monate zurück. Doch der Auftritt von Rio mit dem knappen 2:3 gegen Kroatien als Olympia-Zweiter von Atlanta, dem sicheren 6:3 im Viertelfinale gegen den früheren „Angstgegner“ Niederlande und dem 9:8 gegen Russland im Halbfinale lassen erkennen, dass Stamm mit seiner Einschätzung gut liegt. Den Beweis können seine Spieler in Athen erbringen.