: Passiv-aggressiv ohne Torchance
Nach dem erbärmlichen 1:1 gegen 1860 München schweigt sich Schalke-Manager Rudi Assauer vielsagend aus
GELSENKIRCHEN taz ■ Auf Schalke läuft alles nach Plan: Die Fans haben nach dem 1:1 gegen 1860 München nicht „Neubarth raus“ gerufen. Trotz einer erbarmungswürdigen Leistung begnügte sich der S04-Anhang nach dem achten Heimremis der Saison mit einem vernehmbaren, aber kontrollierten Pfeifkonzert. Ob die Zurückhaltung der 60.886 in der ausverkauften Schalke-Arena eine Reaktion auf die letzten Publikumsbeschimpfungen von Rudi Assauer war, blieb offen. Als „unfair“ und „dem FC Schalke unwürdig“ hatte der Manager die Meinungsäußerungen der Masse nach dem letzten Heimspiel gegen Bielefeld abgewatscht. Auf das erneute Unentschieden reagierte Assauer mit eisernem Schweigen.
Dabei spielten die Königsblauen am Samstag noch schlechter als in den Wochen zuvor. Trainer Frank Neubarth setzte mit Asamoah, Sand, Agali und Mpenza formal auf vorwärtsgerichteten Fußball, löste jedoch eine Kakophonie in der Offensive aus. Gegen abwartende 60er fanden die Schalker nie zu einem Zusammenspiel. Abspielfehler lähmten die nervöse Heimmannschaft. Gefährlich waren nur die Löwen, doch Schalkes Torwart Frank Rost wehrte beste Konterchancen von Weissenberger und Wiesinger ab. Als Emile Mpenza nach 38. Minuten einen Alleingang zum 1:0 abschloss, glaubten die jubelnden Schalke-Fans schon an den Frühlingsbeginn. Doch mit Marco van Hoogdalems bizarrem Eigentor in der 44. Minute war der kollektive Verdruss zurück. Den Rückpass des Niederländers vermochte Rost nicht als solchen zu erkennen.
Das Missgeschick wollten die Schalker in der zweiten Hälfte mit einer passiv-aggressiven Spielweise wettmachen, zu einer Torgelegenheit brachten sie es dabei nicht. Als ob man dem Publikum mit jeder Geste sagen wollte „Kuckt mal, wir kämpfen“, erging sich das Schalker Team in einer Mischung aus Grätschen und Anfeuerungsmanierismen. Besonders Jörg Böhme gefiel sich darin, jede noch so misslungene Bolzerei seiner Kollegen Beifall klatschend zu sanktionieren. Wie hilflos die Knappen waren, beweist die Statistik: Der Spieler mit den meisten Ballkontakten war Tomasz Hajto. Der polnische Abwehrrecke berührte das Spielgerät 105-mal, hatte jedoch meist nur eine einzige Idee: den Ball hoch und unkontrolliert gen Strafraum treten. München passte sich an und holzte zurück. Gleichwohl hätten die 60er gewinnen können, aber der Ex-Schalker Martin Max vergab in der 91. Minute die einzige Chance nach der Pause.
Ein „ganz flottes Spiel“ wollte Münchens Trainer Falko Götz gesehen haben. Zu bemängeln hatte Götz nur die Abschlussschwäche seiner Schützlinge. Frank Neubarth wählte einen ärztlichen Jargon und bezeichnete das Eigentor als „symptomatisch für unsere Situation“. Pläne des Vereins, einen Psychologen auf die verunsicherte Mannschaft anzusetzen, bezeichnete der S04-Coach trotzdem als Unsinn.
Die Jungtrainer Neubarth und Götz stehen unter Druck. Die Führungsetagen der beiden Traditionsklubs haben das Erreichen eines Uefa-Cup-Platzes angeordnet, Schalke-Manager Assauer drohte dem Profikader gar mit Lohnkürzungen im Versagensfall. Beide Vereine haben sich riskanten Bauprojekten ausgeliefert. Schalke stottert seine Rate für die teure Arena ab, 1860 muss 140 Millionen Euro für ein neues Stadion aufbringen.
Rudi Assauer wollte nach Spielende nichts sagen. Fluchtartig verließ er die Presseräumlichkeiten und verzichtete auf die übliche Pro-Neubarth-Rede. Alles Wesentliche hatte der Gelsenkirchener Manager schon vor Spielbeginn mitgeteilt. „Es ist nie leicht, jemandem zu sagen, dass es nicht mehr weitergeht“, schrieb Assauer in der Vereinspostille Schalker Kreisel. In seiner Bilanz nach zehn Jahren als S04-Macher räsonierte er über vergangene Trainerentlassungen. „Manchmal muss man es tun“, so der Manager vieldeutig. Interpretationsspielraum gibt es auf Schalke immer nur von Assauers Gnaden. MARTIN TEIGELER