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Archiv-Artikel

Schmidt beendet 120 Jahre Gesundheitspolitik

Die hälftige Finanzierung der Krankenkassen ist passé: Arbeitnehmer sollen Krankengeldversicherung allein zahlen

Von UWI

BERLIN taz/dpa ■ Das Krankengeld soll laut Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nicht mehr von den Arbeitgebern, sondern nur noch von den Arbeitnehmern abgesichert werden. Diese sollen dafür bei ihrer Krankenkasse eine Extraversicherung abschließen, die nach unterschiedlichen Rechnungweisen 6 bis 15 Euro pro Monat kosten wird.

Gegenwärtig zahlen die Kassen den Lohnersatz nach der sechsten Krankheitswoche bis zu 78 Wochen lang in Höhe von bis zu 90 Prozent des Nettolohns. Im vergangenen Jahr machte dieser Posten laut AOK etwa 7,5 Milliarden Euro oder 147,91 Euro pro Versicherten aus. Diesen Kostenblock sollen die Versicherten nun allein tragen. Rentner, die kein Krankengeld mehr benötigen, wären nicht betroffen. Schmidt erläuterte am Wochenende im Bremer Kurier am Sonntag: „Die Arbeitgeber würden um 0,4 Beitragssatzpunkte entlastet, die Versicherten müssten diese zusätzlich übernehmen.“

Allerdings führt die Extraversicherung des Krankengeldes bei den gesetzlichen Kassen zu einer Schieflage, wenn nur die Arbeitnehmer belastet und die Rentner von Beiträgen entlastet würden. „Diese Begünstigung sollte kompensiert werden“, heißt es vage in einem Ulla-Schmidt-Papier, das der Spiegel zitiert.

Offiziell ist mit Schmidts Erklärungen jedoch bestätigt, was Gesundheitsreformer seit Monaten beschwören: Das Ende der „Parität“. Sofern unter „Parität“ die 50/50-Aufteilung der Kosten für alle Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verstanden wird, ist dieses 120-jährige Prinzip mit der Umschichtung der Krankengeldkosten faktisch abgeschafft.

Angedeutet hatte sich dies schon in der Regierungserklärung Gerhard Schröders am 14. März. Allerdings hatte Schröder eine Absicherung des Krankengelds bei den Privatkassen und nicht bei den gesetzlichen Kassen vorgeschlagen. Um die Zielmarke – Senkung der Kassenbeiträge „unter 13 Prozent“ – zu erreichen, muss die Regierung die Kassen um 15 bis 20 Milliarden Euro insgesamt entlasten. Um dem auch nur ansatzweise näher zu kommen, forderte Schröder zusätzlich eine Steuerfinanzierung familienpolitischer Leistungen. Hierzu hat sich Finanzminister Hans Eichel noch nicht geäußert. Außerdem erklärte Schröder, von Patienten müsse mehr „Eigenverantwortung“ verlangt werden.

Zur Höhe der hierzu geplanten Praxisgebühr äußerte sich die Gesundheitsministerin am Wochenende nicht konkret. Bislang waren 10 bis 15 Euro im Gespräch. Allerdings will Schmidt, anders als von Schröder vorgeschlagen, Kinder, Arme und chronisch Kranke nicht grundsätzlich davon befreien, sondern die Gebühr für ihr „Hausarzt als Lotse“-Konzept nutzen. Jeder, „der direkt einen Facharzt aufsucht statt des Hausarztes“ aufsuche, müsse zahlen, sagte Schmidt. Wobei wiederum Kinder-, Frauen- und Augenärzte ausgenommen werden sollen.

UWI