Nutzloses Dümpeln : In Bremerhaven wartet Schiff aus Irak
Strandgut des Krieges
Für Seeleute ist sie ein trauriger Anblick. Nutzlos dümpelt die „Al Zahraa“ am Kai in Bremerhaven. Vom arabischen Schriftzug am Bug blättert die Farbe; „Basra“ ist am Heck als Heimathafen kaum noch zu erkennen. „Strandgut des Krieges“, sagt Seemannspastor Hermann Bohlmann. Bereits zum ersten Golfkonflikt vor 13 Jahren traf der Bannstrahl des UN-Embargos das irakische Schiff. Zwei Wachleute, abgelöst im Halb-Jahres-Rhythmus, leben seither an Bord. „Sinnbild einer verrückten Welt“ – Bohlmann schüttelt den Kopf.
Seemannspastoren sehen die Welt mit anderen Augen. „Auf den Ozeanen herrschen besondere Gesetze“, sagt Bohlmann, der seit 1985 in Bremerhaven Besatzungen aus aller Welt betreut. „Seeleute wissen, dass sie unabhängig von Herkunft und Religion miteinander leben können, mitunter aufeinander angewiesen sind“, hat er gelernt. Dass die beiden Irakis in Bremerhaven in eine internationale Gemeinschaft eingebunden sind, ist für Bohlmann angesichts des Krieges im Nahen Osten ein schwacher Trost.
Seitdem die US-Amerikaner Bagdad bombardieren gibt es für die Seeleute keine Telefonverbindungen mehr in die Heimat. Per Satellit können sie wenigstens das grobe Geschehen im Nahen Osten auf dem Bildschirm verfolgen. „Aber wir reden nur selten über das, was die beiden bewegt“, sagt Bohlmann.
Als die „Al Zahraa“ 1990 Bremerhaven ansteuerte, waren die Anzeichen des ersten Krieges bereits zu erkennen. Nur zwei Kilometer Luftlinie vom heutigen Liegeplatz des Schiffes entfernt, verlud die US-Army schwere Panzer für den Golfkonflikt. An Bord der „Al Zahraa“ war die Stimmung seinerzeit noch gut. In der Erwartung eines kurzen Werft-Aufenthaltes hatten viele Besatzungsmitglieder ihre Familien mitgebracht. Doch nach und nach erstarb das Kinderlachen an Bord – bis auf zunächst einen Mann kehrten alle heim.
Seither dümpelt die „Al Zahraa“ nutzlos an der Kaje. Für den stellvertretenden Hafenkapitän Karl-Heinz Schröder ist das Schiff inzwischen ein vertrauter Anblick geworden. „Ein Trümmerhaufen“, stellt Schröder sachlich fest.
Vor sechs Jahren konnte nur eine eilige Notreparatur ein Sinken der „Al Zahraa“ verhindern. Immerhin: Die Liegegebühren sowie das Geld für Strom und Wasser werden pünktlich von einem Agenten der irakischen Reederei überwiesen. „Wenn der Krieg zu Ende ist, wird das Embargo wohl aufgehoben“, sinniert Schröder. Doch dass der Frachter, der wegen seines Hubschrauber-Landedecks als potenzielles Kriegsgerät gilt, je wieder in Fahrt kommt, glaubt im Hafen niemand mehr. Der Schneidbrenner wartet wohl schon auf das Strandgut des Krieges.
Wolfgang Heumer, dpa