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Archiv-Artikel

Exil-Iraker stehen vor Gericht

Im August 2002 besetzten irakische Oppositionelle für fünf Stunden die Botschaft ihres Landes. Morgen wird der Prozess gegen die Asylbewerber eröffnet. Sie müssen mit langjähriger Haft rechnen

Die Männer hatten Flaggen mit „Tod Saddam!“ aus den Fenstern gehängt

Vor dem Berliner Landgericht beginnt morgen der Prozess gegen eine Gruppe irakischer Oppositioneller. Die Männer hatten im August des vergangenen Jahres die Botschaft ihres Landes in Berlin besetzt.

Den sechs an der Tat Beteiligten im Alter zwischen 33 und 52 Jahren wird gemeinschaftliche Geiselnahme, gefährliche Körperverletzung sowie Hausfriedensbruch vorgeworfen. Ihnen drohen langjährige Haftstrafen. Im Falle eines Schuldspruchs wegen Geiselnahme sieht das Gesetz Freiheitsstrafen nicht unter fünf Jahren vor. Fünf der Angeklagten waren am 20. August 2002 in die Botschaft des Iraks in der Riemeisterstraße im Ortsteil Zehlendorf eingedrungen. Die in Brandenburg lebenden Asylbewerber sollen damals mehrere ihrer Geiseln, darunter den damaligen Ersten Sekretär der Botschaft, gefesselt und mit dem Tode bedroht haben. Die Polizei konnte die Besetzung nach gut fünf Stunden ohne Blutvergießen beenden. Die Besetzer sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Um den Drahtzieher der Aktion handelte es sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem 52-jährigen Angeklagten, der das Botschaftsgebäude nicht betreten hatte. Er soll die Waffen besorgt, seine fünf Komplizen zu der Vertretung gefahren, telefonisch Anweisungen gegeben und Bekennerschreiben abgesandt haben. Im Ermittlungsverfahren soll sich der seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebende Exil-Iraker als Pressesprecher der „Demokratischen Irakischen Opposition Deutschlands“ bezeichnet haben. In einem Fax hatten die Regimegegner erklärt, bei der Besetzung handele es sich um den ersten Schritt zur Befreiung ihres Vaterlandes. Der oppositionelle Irakische Nationalkongress INC verurteilte damals die Aktion und distanzierte sich von den Besetzern.

Die Täter waren nach Angaben der Justiz mit Reizgasspray, zwei Gaspistolen, einer scharfen Pistole und einem Beil bewaffnet. Nachdem sie sich im Botschaftsgebäude verbarrikadiert hatten, hängten sie mehrere irakische Flaggen mit dem Schriftzug „Tod Saddam!“ aus den Fenstern. Im Verlauf der Besetzung sollen mehrere Botschaftsangehörige Schürfwunden durch Fesseln sowie Reizungen der Schleimhäute durch Reizgas erlitten haben.

Nach Angaben eines Justizsprechers haben die fünf Eindringlinge, die sich legal in Deutschland aufhielten und alle in einem Asylbewerberheim im brandenburgischen Spremberg gemeldet waren, bislang zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geschwiegen. Der mutmaßliche Drahtzieher der Botschaftsbesetzung habe dagegen eine Mitwirkung eingeräumt. In Briefen aus der Haftanstalt Moabit soll er die gewaltsame Befreiung der Geiseln durch die deutsche Polizei verurteilt haben.

Da inzwischen die USA und ihre Verbündeten den Krieg gegen den Irak begonnen haben, wird der Prozess im Sicherheitstrakt des Gerichtsgebäudes unter besonders strengen Personenkontrollen geführt. Bislang sind für das Verfahren acht Verhandlungstage bis zum 12. Mai angesetzt. RTR, TAZ