„Das gehört zum Krieg“

Die deutschen Sender zeigen Bilder von den gefangenen US-SoldatInnen im Irak. Am meisten hält sich RTL zurück

BERLIN taz ■ Standfotos auf CNN – ein ungewöhnlicher Anblick beim sonst auf rolling news versessenen Nachrichtenkanal. Doch den Forderungen der britischen wie der US-Regierung, die am Sonntag veröffentlichten Filmaufnahmen von US-Kriegsgefangenen im Irak nicht zu benutzen, mochte sich die Tochter des größten US-Medienkonzerns Time-Warner – anders als die britische BBC – nicht entziehen. Ganz anders auch die ARD: Sie zeigte die vom irakischen Fernsehen gemachten und von al-Dschasira weiter gesendeten Bilder, nannte sie einen „nachrichtlichen Super-GAU“ für die USA und wunderte sich über die Proteste aus dem Hause Rumsfeld: „Plötzlich beruft sich der US-Verteidigungsminister auf internationales Recht – gerade er“, hieß es im ARD-„Brennpunkt“.

„Wir haben die Bilder unter Angabe dieser Quelle weiterverbreitet und gesagt, wo und zu welchem Zweck sie gedreht wurden“, sagt Bernhard Wabnitz, Chef von ARD-aktuell („tagesschau“, „tagesthemen“). Ebenso habe man Rumsfelds Sicht zitiert, dass diese Bilder gegen das Völkerrecht verstießen. Doch für die Zuschauer müsse es möglich sein, die Zusammenhänge zu erkennen, so Wabnitz: „Wir haben die Bilder ja nicht stundenlang vorgeführt als Verlängerung der irakischen Propaganda“, man habe vielmehr sorgfältig ausgewählt.

„Tote und Gefangene gehören nun mal zum Krieg“, sagt auch n-tv-Sprecher Thomas Schulz, Der Nachrichtenkanal hatte wie ARD und ZDF mit eigene Beiträgen über die US-Kriegsgefangenen und ihre Befragung durch die Iraker berichtet (im Internet zu sehen unter www.n-tv.de). Den Vorwurf, n-tv habe besonders lang die Aufnahmen der sichtlich geschockten und zum Teil verletzten AmerikanerInnen gezeigt, weist er zurück: „Wir haben nicht weniger oder mehr gezeigt als die anderen.“ Und Grenzen? Die gebe es natürlich – „wenn es nicht mehr zumutbar ist, gehen wir raus“, so Schulz. Doch wann Grenzen überschritten sind, ist eine schwierige Entscheidung, und kaum ein Fall gleicht dem anderen.

Ganz anders als die Öffentlich-Rechtlichen und n-tv hat diesmal RTL reagiert: Nur eine kurze Einstellung in der Totale, keine Einzelaufnahmen der Menschen war zu sehen – „und auch über die haben wir lange diskutiert“, sagt „RTL aktuell“-Redaktionsleiter Michael Wulf. „Man muss das zeigen und klar machen: das passiert“, aber mehr vom Al-Dschasira-Material zu senden, wäre laut Wulf journalistisch „nicht sinnvoll. Die Bilder bringen einen doch nicht weiter.“ Und dass der Nachrichtenkanal n-tv, der knapp zur Hälfte RTL gehört und auch RTL-Material nutzt, sich hier ganz anders verhält? „Wir stellen n-tv unsere Korrespondenten zur Verfügung“, sagt Wulf, was die Inhalte angehe, müssten die „Kollegen selbst entscheiden“.

Bei der www.tagesschau.de-Abstimmung, ob das TV Bilder von Kriegsgefangenen zeigen sollte, hatten sich bis gestern (14.00 Uhr) fast 1.000 Zuschauer beteiligt. Mit klarem Ergebnis: 72 zu 27 Prozent für die Ausstrahlung. STEFFEN GRIMBERG