Aufs Konto des Siegers

Eine Schweizer Bank hat sich bereit erklärt, der US-Regierung irakisches Vermögen zu überweisen. Andere werden folgen

von HANNES KOCH

Eine ungewöhnliche Aufforderung hat Ende vergangener Woche die Niederlassung der Deutschen Bank in New York erreicht. Das Schreiben, das die Unterschrift von US-Finanzminister John W. Snow trägt, verlangt, irakisches Vermögen an die US-Regierung zu übergeben. Als Besitzer des Geldes, das auf Bankkonten in den USA liegt, werden genannt: die Regierung und Zentralbank des Irak, zwei irakische Banken sowie die staatliche Ölhandelsgesellschaft.

Nicht nur die Deutsche Bank bekam dieses Schreiben. Die Beschlagnahmung betrifft 17 Institute, bei denen insgesamt 1,74 Milliarden US-Dollar irakischen Vermögens liegen. Finanzminister Snow rief bei der Gelegenheit gleich „eine weltweite Jagd auf das Blutgeld“ aus, das „Saddam Hussein und seine Helfer dem irakischen Volk gestohlen haben“.

Das beschlagnahmte Vermögen solle so verwendet werden, dass es dem „irakischen Volk“ und dem „Wohlergehen der Vereinigten Staaten dient“, hatte zuvor US-Präsident George Bush in einer Direktive an das Finanzministerium niedergelegt.

Die Deutsche Bank gab sich gestern wortkarg. „Einzelne Vorgänge“ kommentiere man nicht, sagte ein Sprecher. Die Schweizer UBS erklärte sich dagegen offiziell bereit, das irakische Vermögen auf Konten der US-Regierung zu überweisen.

Wenig spricht dagegen, dass die Deutsche Bank ähnlich verfährt: Finanzminister Snow wies in seiner Anweisung darauf hin, dass der nach dem 11. September 2001 verabschiedete US-Patriot-Act es der Regierung erlaubt, unwillige Banken mit der Lahmlegung ihres Geldverkehrs in den USA zu bestrafen.

Derartige Enteignungen des Kriegsgegners waren während des Ersten und Zweiten Weltkrieges durchaus üblich. Manche Regierungen Südamerikas erklärten Deutschland damals nur deshalb den Krieg, weil sie an deutsches Vermögen herankommen wollten. „Seitdem hat sich das Völkerrecht aber weiterentwickelt“, sagt Michael Bothe, Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt am Main.

Als „Hauptproblem“ bezeichnet Bothe, dass die Vereinten Nationen die irakischen Konten nach dem zweiten Golfkrieg von 1991 eingefroren und eine bestimmte Verwendung festgelegt hätten. Diese völkerrechtliche Beschlusslage könne die Regierung in Washington durch nationale Gesetze oder Verordnungen nicht einfach außer Kraft setzen, so Bothe.

Wie viel Geld die irakische Regierung auf ausländischen Konten deponiert hat, ist nicht genau bekannt. Schätzungen gehen von etwa sechs Milliarden Dollar aus. Auch auf diese Beträge, die außerhalb des Hoheitsgebietes der USA liegen, hat es das US-Finanzministerium abgesehen. In einer Erklärung fordert John Snow „alle Staaten“ auf, „ihre „Verpflichtungen zu erfüllen“.

Von einer offiziellen Anfrage in dieser Sache sei nichts bekannt, erklärt dazu ein Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Derartige Beschlagnahmungen „aus nationaler Kompetenz“ seien in Deutschland aber nicht möglich. Und eine entsprechende Resolution hätten die Vereinten Nationen nicht formuliert, hieß es weiter. Der Bundesverband Deutscher Banken wies darauf hin, dass die hiesigen Institute alles täten, was die UN-Resolutionen vom Beginn der Neunzigerjahre vorsähen. Die irakischen Regierungskonten seien eingefroren und Auszahlungen würden nur in wenigen Ausnahmefällen genehmigt.

Die Reaktion der Schweiz fällt etwas anders aus. Einerseits erklärt die Regierung, dass es kein irakisches Staatsgeld in der Alpenrepublik gebe, andererseits weist man das Ansinnen, Konten zu sperren, scharf zurück. Dies sei nur auf der Basis von Rechtshilfeersuchen oder UN-Resolutionen möglich.

Was das irakische Regierungsgeld in den USA angeht, hat US-Finanzminister Snow bereits genaue Pläne. Die Mittel sollen für den Wiederaufbau der Infrastruktur im Irak nach dem Krieg verwendet werden.

Interessant in diesem Zusammenhang: Die US-Regierung hat Aufträge im Wert von 900 Millionen Dollar an US-Firmen ausgeschrieben. Darunter ist der Baukonzern Bechtel. Nicht unwahrscheinlich erscheint demnach folgendes Szenario: Mit Hilfe der US-Regierung könnte das enteignete irakische Vermögen an US-Firmen fließen, die damit im Zweistromland von US-Bomben zerstörte Straßen reparieren.

Für Völkerrechtler Michael Bothe ist auch das nur schwer mit dem internationalen Recht in Einklang zu bringen. Keinesfalls dürfe die eine Kriegspartei das beschlagnahmte Vermögen der anderen nach ihrem Gutdünken verwenden, so Bothe.