: Hoffen auf den schwarzen Balken
Unionsfraktionsvize Bosbach besuchte Bremen – der Krieg kam zur Sprache, Diskussionsbedarf: Fehlanzeige
taz ■ „Brigitte, sie sind im Anmarsch.“ Brigitte Sauer, stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende, eilt nach vorne, mahnt den gut besetzten Saal im Konsul-Hackfeld-Haus zur Ruhe. Er ist im Anmarsch: Wolfgang Bosbach, Fraktionsvize der Union und deren Innenexperte, kommt zum Kreisparteitag der CDU Bremen-Stadt. Setzt sich neben Brigitte Sauer, als habe er nie woanders gesessen. Lächelt den Kreisvorsitzenden Jörg Jäger an, steht auf, als es angeht, die Toten zu ehren, schweigt von Gerd Aumund bis Gisela Wolf und hört dann von Jörg Jäger: „Herr Doktor, äh –“ Bosbach ist nicht Doktor. „Entschuldigung“, sagt Jörg Jäger, „aber ich hab den Doktor immer so präsent“, und lächelt Richtung Innensenator Kuno Böse, der ist Doktor. „Es gibt Schlimmeres“, murmelt Bosbach und geht zum Mikro. „Beurteilen Sie Politiker nie nach dem, was sie sagen“, ruft er dann, „sondern nach dem, was sie tun.“ Was Wunder, da sagt die SPD viel und tut wenig. Und das seit 60 Jahren. „Die für unser Land wichtigen Entscheidungen, die haben wir richtig und immer gegen den erbitterten Widerstand der SPD getroffen.“ Das ging los nach dem Krieg, bei der Entscheidung Marktwirtschaft oder Sozialismus – wer redet heute noch von Sozialismus? „China, Nordkorea und der Bundesvorstand der Jungsozialisten.“ Der Saal freut sich.
Nato-Doppelbeschluss, Aufrüstung, Gleichgewicht des Schreckens – alles nur gelungen mit der CDU: „Die Nachrüstung ist gekommen, der Eiserne Vorhang ist gefallen, dann gab es echte Abrüstung – Gott sei Dank.“ Logisch, dass auch jetzt die CDU auf dem richtigen Wege sei. „Die größte Gefahr für die Welt geht vom gewaltbereiten Islamismus aus“, wettert Bosbach, und von den knapp 5.000 „gewaltbereiten“ Muslimen, die in Deutschland vermutet werden, „müssen wir uns trennen, lieber heute als morgen – das hat mit Ausländerfeindlichkeit überhaupt nichts zu tun!“ Einige klatschen, zustimmendes Gemurmel, einer sagt: „Sprechblasen.“
Man müsste, fährt der Politiker fort, „ein Herz aus Stein haben“, wenn man nicht betroffen wäre vom „Leid der Menschen.“ Doch die „Debatte gehört vom Kopf auf die Füße gestellt: Die Schuld am Krieg trägt Saddam Hussein.“ Keiner widerspricht. Einige glotzen vor sich hin, vielleicht auch wegen des vierten Beck’s, das vor ihnen steht. Andere nicken. Diskussionsbedarf, Aufmucken: Fehlanzeige.
Bosbach findet den Weg zurück zur Innenpolitik, und nach einem Parforceritt durch die Geschichte, Deutschland und die Welt gelingt ihm ein Ende, das dem Saal fast Zugabe-Rufe entlockt. Nichts mache mehr Spaß, ruft er den in den Wahlkampf startenden CDUlern zu, als der Abend danach. Bosbach: „Mal ehrlich: Ist das nicht herrlich, wenn der schwarze Balken immer größer und der rote immer kleiner wird?“ Susanne Gieffers