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Archiv-Artikel

Berlin bleibt auf Bank sitzen

Der rot-rote Senat beendet das Privatisierungsverfahren für die Bankgesellschaft. Bei einem Verkauf wären die allermeisten Milliardenrisiken beim Land verblieben. Opposition spricht von Versagen

von RICHARD ROTHER

Es war das Wort des Tages: „negativer Kaufpreis“. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nahm das Wort bei der gestrigen Senatspressekonferenz derartig häufig in den Mund, bis auch der letzte der zahlreich anwesenden Journalisten begriffen haben musste, was sich hinter dem Begriff verbirgt: Bei einem Verkauf der skandalgeschüttelten Bankgesellschaft hätte das Land Berlin draufzahlen müssen. Dabei wäre nach Sarrazins Worten sogar dann eine „erhebliche Summe“ zusammengekommen, wenn sich der mehrheitlich landeseigene Bankkonzern in den nächsten Jahren positiv entwickeln würde. Die Rede war von bis zu einer Milliarde Euro.

Zum Abschluss des seit über einem Jahr laufenden Privatisierungsverfahrens hatte der Senat das einzig verbliebene Angebot der Investorengruppe BGB Capital Partners (BCP), bestehend aus den Investmentspezialisten Christopher Flowers und Texas Pacific Group, zu bewerten. Die Investmentgesellschaft Lone Star hatte nur ein unverbindliches Angebot abgegeben. Nach Sarrazins Angaben sah das BCP-Angebot einen Kaufpreis von nur 10 Millionen Euro für die Bankgesellschaft vor; zusätzlich wollte BCP jedoch 400 Millionen Euro in die sanierungsbedürftige Bank stecken.

Die Crux lag aber nicht in dem geringen Kaufpreis, sondern vor allem bei der Aufteilung der enormen Risiken. Zum Beispiel Fälle, in denen (Groß-)Schuldner Kredite der Bank nicht zurückzahlen können. BCP hatte von vornherein eine so genannte Risikobeteiligung des Landes gefordert, obwohl der Senat schon die Risiken aus dem umstrittenen Immobilienfondsgeschäft in Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro übernommen hatte. Das reichte den Investoren offenbar nicht, sie wollten auch den Großteil aller weiteren Risiken auf das Land abwälzen: 80 Prozent sollte Berlin übernehmen, 20 Prozent der Risiken würde BCP schultern. Letzteres aber auch nur bis zu einer Risikogesamthöhe von 3,5 Milliarden Euro, alle darüber hinausgehenden Risiken müsste Berlin tragen.

Die Übernahme solcher Risiken würde aber den ohnehin geringen Kaufpreis schnell neutralisieren, ein „negativer Kaufpreis“ entstünde. Sarrazin: „Ein Kaufpreis von null war nicht zu gewärtigen.“ Deshalb sei es nicht sinnvoll, „die Bankgesellschaft zu den jetzt angebotenen Konditionen an BCP abzugeben“.

Gleichwohl betonte Sarrazin, dass der Senat an einem Verkauf der Bank festhalte. Als Termin nannte Sarrazin das Jahr 2006, wenn das Restrukturierungsprogramm abgeschlossen sei. Auch vorher sei der Senat allen Angeboten gegenüber offen.

Schwierigkeiten mit der EU-Kommission in Brüssel, die die Genehmigung von Beihilfen an die Privatisierung koppelt, sah Sarrazin nicht. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti habe klar gemacht, dass sich der Nichtverkauf nicht unbedingt negativ auf das Beihilfeverfahren auswirken müsse. Sarrazin wird heute in Brüssel mit Monti zusammenkommen. Berlin hatte 2001 rund 1,75 Milliarden Euro in die Bankgesellschaft gesteckt, um sie vor dem Ruin zu retten. Wettbewerbsrechtlich könnte dies eine unerlaubte staatliche Beihilfe darstellen.

Während die Gewerkschaften den Abbruch des Privatisierungsverfahrens begrüßten, kritisierten Opposition und Wirtschaftsverbände diesen Schritt heftig. „Der Senat hat auf der ganzen Linie versagt“, so der Grünen-Finanzexperte Jochen Esser. Auch nach monatelangen Verkaufsgesprächen liege der Wert der Bank im Dunkeln. „Das begründet den Verdacht, dass die Bank etwas zu verbergen hat und der Senat nie vorhatte, sie zu verkaufen.“ Das „Prinzip Hoffnung“ des Senats, das Restrukturierungsprogramm sei auf gutem Wege, werde „dem Land Berlin und dem Steuerzahler noch eine Menge Ärger machen“ prophezeite Esser.

CDU-Fraktionschef Frank Steffel sprach von „einem einzigen Scherbenhaufen“ und „zwei verlorenen Jahren für Berlin“. Der Senat habe sein Ziel nicht erreicht, die Bankgesellschaft zu privatisieren und Berlin von den hohen Risiken wenigstens teilweise zu befreien. FDP-Fraktionschef Martin Lindner verlangte eine „zügige Neuausschreibung“ der Bank als Ganzes oder in Teilen. Bleibt die Frage, ob dabei mehr als ein „negativer Kaufpreis“ herauskäme.