: Plutonium für Krümmel-Monster
Das Genehmigungsverfahren für den Einsatz von plutoniumhaltigen Mox-Brennelementen im Atomreaktor Krümmel ist in vollem Gange. Neue schleswig-holsteinische Atomaufsichtsbehörde strukturiert sich um und schweigt dazu
von MARCO CARINI
Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Während die schleswig-holsteinische Atomaufsicht nach einer Kabinettsreform mit sich selbst beschäftigt ist, versuchen die Betreiber des Atommeilers Krümmel, das Genehmigungsverfahren für den Einsatz plutoniumhaltiger Mischoxid (MoX)-Brennelemente möglichst lautlos über die Bühne zu bringen. Ab 2005 wollen sie die mit dem Bombenstoff angereicherten Brennstäbe in dem Elbmarsch-Reaktor einsetzen.
Das Genehmigungsverfahren ist bereits in vollem Gange. Seit dem 24. Februar liegen die Anträge der Betreiber im Kieler Sozialministerium und im Geesthachter Rathaus zur öffentlichen Einsichtnahme aus. Am 23. April endet die Einsichtsfrist. Die erwarteten Einwendungen gegen den Plutonium-Einsatz sollen ab dem 16. Juni im Sachsenwald-Forum Reinbek öffentlich erörtert werden. Die Kieler Atomaufsicht hatte auf diese Öffentlichkeitsbeteiligung bestanden, die die Betreiber „unnötig“ fanden.
Der Streit um den Plutonium-Einsatz in Krümmel währt schon seit Jahren. Bereits im Dezember 1989 beantragte die „Kernkraftwerk Krümmel GmbH“ erstmals den Mox-Einsatz in dem Elbmarsch-Kraftwerk – und ließ diesen Antrag dann jahrelang ruhen. Der Hintergrund: In Krümmel lagern mehrere Tonnen des krebserregenden Ultragifts Plutonium, das bei der Wiederaufarbeitung der im Kraftwerk eingesetzten Brennelementen angefallen ist. Da der Gesetzgeber eine schadlose Verwertung des Plutoniums vorschreibt und nur dessen Einlagerung in Brennstäben als Entsorgungsnachweis akzeptiert, sehen sich die Betreiber zum Mox-Einsatz gezwungen.
Der aber birgt Gefahren: So wiesen Fachleute wie Helmut Hirsch von der „Gruppe Ökologie“ mehrfach darauf hin, dass „die Regelung des Reaktors durch den Mox-Brennstoff schwieriger“ werde: Bei Störfällen könnte „das Kraftwerk schneller außer Kontrolle geraten“. Auch der langjährige Kieler Energieminister Claus Möller (SPD) hatte den Mox-Einsatz stets „strikt abgelehnt“ weil dadurch die „Bevölkerung erhöhten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werde“.
Doch seit Atomgegner Möller im Rahmen einer Kabinettsreform Ende Februar seinen Hut nahm und seinem Energie-Staatssekretär Wilfried Voigt (Grüne) der Bereich Reaktorsicherheit abgenommen wurde, schweigt die Kieler Landesregierung. Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD) und ihr Staatssekretär Horst-Dieter Fischer, dei jetzt für Reaktorsicherheit zuständig sind, verstehen von der komplizierten Materie, vorsichtig formuliert, wenig. So arbeitet die schleswig-holsteinische Atomaufsicht derzeit faktisch ohne politische Führung – und damit auch ohne die gewohnte atomkritische Begleitmusik aus dem Kabinett.
Dabei sind wichtige Fragen unbeantwortet: So beantragen die Krümmel-Betreiber nur den Einsatz von 1,3 Tonnen Plutonium in 212 Krümmel zugedachten Mox-Elementen, obwohl der Plutonium-Berg, auf dem sie sitzen, nach Berechnungen von Fachleuten um einige Tonnen schwerer wiegt. So teilte der Hamburger Senat bereits 1991 auf Anfrage mit, bei der Wiederaufarbeitung der Krümmeler Brennelemente würden Jahr für Jahr 450 kg Plutonium entstehen. Fachleute innerhalb der Kieler Aufsichtsbehörde gehen davon aus, dass Krümmel auf „dem freien Plutonium-Markt, der zwischen den Betreibern besteht“, einige hundert Kilo des Megagiftes loswerden konnte – doch wo es genau blieb, kann oder will niemand sagen.
Unklar ist auch, ob Krümmel-Betreiber Vattenfall von den ebenfalls seit Jahren auf Eis liegenden Plänen Abstand nimmt, auch im AKW Brunsbüttel Plutonium einzusetzen. Da der Alt-Reaktor voraussichtlich noch in diesem Jahrzehnt vom Netz geht, scheint ein langwieriges Neuverfahren um den Mox-Einsatz hier unrealistisch. Ein Experte: „Das Verfahren ist mausetot.“
Sehr lebendig könnte es hingegen auf den öffentlichen Erörterungen werden. Als vor über zehn Jahren Brunsbüttel den nie vollzogenen Mox-Einsatz beantragte, gingen 19.618 Einwendungen gegen den geplanten Einsatz der plutoniumhaltigen Brennstäbe bei den Behörden ein.