Keine Nachricht für die Truppe

Zu Hause unterstützt die amerikanische Rockband 3 Doors Down die US-Army am Golf. Doch bei ihrem Konzert in Berlin ließ sie sich ihren Patriotismus nicht anmerken

3 Doors Down: Eine Band aus Escatawpa, Mississippi, von der es bislang nur wenig Aufregendes zu berichten gab. Etwa die Tatsache, dass ihr Debüt „The Better Life“ als erste Platte in der Geschichte des Rock’n’Roll zur selben Zeit Platz eins der Modern Rock Charts, der Active Rock Charts sowie der Album Rock Charts und – als würde dies nicht längst für die Middle-Of-The-Road-Hall-Of-Fame reichen – auch noch die Pole Position der Heritage Rock Charts belegte.

Was diese durchschnittlichste aller durchschnittlichen Bands dieser Tage interessant macht, ist das Video, oder besser: die Videos, die zu ihrer aktuellen Single „When I’m Gone“ kursieren. Dass ausschließlich auf MTV America ausgestrahlte – und augenscheinlich von der US-Army finanzierte – Video wurde am Rande einer Three-Doors-Down-Tournee durch amerikanische Stützpunkte am Golf gedreht und zeigt die Band auf einem Flugzeugträger vor einer Schar heroisch dreinblickender US-Landser: ein Video, das in den letzten Wochen vor oder nach jedem vierten Werbeblock lief und somit die Trennschärfe zwischen den Musikblocks und den in gleicher Ästhetik gedrehten „Join The Army“-Spots aufs schönste verwischte: Crossmarketing der perfideren Art, verbunden mit dem Hinweis, von „3doorsdown.com“ aus könne man direkt eine Mail-„message to our troops“ senden.

Auf MTV Deutschland dagegen wird zum selben Song ein Video ausstrahlt, in dem man vergeblich nach wehenden US-Flaggen und moshenden Bomberpiloten Ausschau hält.

Auch auf ihrer Deutschland-Tour halten sich 3 Doors Down derzeit offenbar bedeckt: Wer am Dienstagabend bei ihrem Auftritt in Berlin auf ein Wort zum Krieg – oder wenigstens zum Frieden – gehofft hatte, der wurde enttäuscht. „The next song is from our new album“, war die längste aller Ansagen, „God bless you all“ die letzte. Das der Band in ihrer totalen Durschschnittlichkeit in nichts nachstehende Publikum im ausverkauften ColumbiaFritz feierte jeden Song, als wäre es ihr liebster, ganz unbeleckt von den proamerikanischen Umtrieben ihrer Helden.

Die Popkultur ist eben eine Hure. Je nach Gemütslage der angepeilten Zielgruppe steckt sie ein und teilt aus, simuliert warmes Mitgefühl oder kalte Dominanz. Ein ganz normales Dienstleistungsgewerbe, in dem der Kunde gegen Geld seine Fantasien gespiegelt und Wünsche erfüllt bekommt.

Dass sich, je nach politischer Weltlage, Angebot und Nachfrage beiderseits des Atlantiks auseinander entwickeln, ist ein offenes Geheimnis. Der US-Popkonsument wünscht dieser Tage eben anderes als der deutsche. Doch flexibel, wie man im Showgeschäft nun mal ist, wird noch der entgegengesetzteste Wunsch von ein und derselben popkulturellen Marke erfüllt. So versteht es MTV Deutschland, sich als radikal-pazifistischer Aufklärungskanal zu inszenieren, während das amerikanische Mutterhaus kriegskritische Stimmen ausblendet und Durchhalteparolen für „unsere Helden am Golf“ sendet. Wo es hierzulande in Dauerrotation „War Is Not The Answer“ heißt und noch der dumpfeste Dance-Act-Eintänzer seine Zweifel an Bushs Redlichkeit anmelden darf, sind overseas die medialen Reihen stramm geschlossen.

Der Einzige, dem derlei Zynismus den Abend verdarb, war ein 3-Doors-Down-Fan, dem man beim Bierholen die Handlung des US-Videos gesteckt hatte. Klatschen und Mitsingen waren für ihn von nun an nicht mehr drin, und so verließ er 15 Minuten vor Konzertschluss als Exfan gramgebeugt die Halle. So tief sind die Risse im transatlantischen Graben. Der Rest der Berliner Zielgruppe aber konnte an diesem Abend gehalten werden.

CORNELIUS TITTEL