Ein Wahltermin, keine Einschnitte

Das Parlament der Jüdischen Gemeinde setzte am Dienstagabend einen Termin für die vorgezogenen Neuwahlen fest. Ein Defizitabbau gelang den Repräsentanten aber nicht

In einer seiner mittlerweile gewohnt chaotischen Sitzungen hat das Parlament der jüdischen Gemeinde, die Repräsentantenversammlung (RV), am Dienstagabend zwei wichtige Entscheidungen getroffen: Zum einen wurden die vorgezogenen Neuwahlen auf den 14. September terminiert. Zum anderen soll der Vorstand der Gemeinde in vier Wochen einen Etatentwurf vorlegen, wie der Haushalt der Körperschaft öffentlichen Rechts für das laufende Jahr um 1 Million Euro gekürzt werden kann. Bis dahin soll der Vorstand auf Grundlage des Etats für 2002 nur noch die rechtlich unbedingt nötigen Zahlungen, etwa fürs Personal, vornehmen.

Ähnlich der ebenfalls von Finanznöten geplagten katholischen Kirche der Stadt hat die Jüdische Gemeinde in den einigermaßen fetten Jahren zu viele Institutionen gegründet und zu viel Personal dafür angestellt. So konnte es dazu kommen, dass allein das geplante Defizit des nicht verabschiedeten Etats 2003 bei über 1,6 Millionen Euro liegt. Allen Repräsentanten ist klar, dass diese Deckungslücke nur durch harte Einschnitte geschlossen werden kann. Gleichzeitig zweifeln aber einige Gemeindevertreter daran, dass die RV als nur noch kommissarisch tagendes Gremium bis zu den Neuwahlen überhaupt zu solch weitreichenden Entscheidungen befugt ist.

Der RV-Vorsitzende Arthur Süsskind machte zu Beginn der knapp vierstündigen Sitzung immerhin Vorschläge, wo eingespart werden könnte. Die mit rund 12.000 Mitglieder größte jüdische Gemeinde der Bundesrepublik bestimmt über einen immensen Haushalt von rund 25 Millionen Euro. Der Etat ist deshalb so hoch, weil aus ihm unter anderem auch das Jüdische Krankenhaus getragen wird.

Man könnte, meinte Süsskind, beispielsweise den Posten für „Kultur im Gemeindehaus“ kürzen oder gar völlig abschaffen. Dieser schlage mit 110.000 Euro zu Buche. Bei der Bibliothek der Gemeinde sei eine Halbtagesstelle zu kürzen (30.000 Euro). 250.000 Euro wären bei einer Schließung der Jüdischen Volkshochschule einzusparen. Auch bei den Integrationsstellen (insgesamt rund 270.000 Euro) und der ambulanten Pflege der Gemeinde gebe es Luft.

Am offensichtlichsten aber sind die Chancen für Einsparungen bei den beiden Friedhöfen der Gemeinde, an der Heerstraße und in Weißensee (er ist mit rund 40 Hektar der größte jüdische Friedhof Europas). Obwohl es nur rund 150 Beerdigungen im Jahr gebe, so Süsskind, leiste sich die Gemeinde zwei Friedhofsinspektoren und eine Masse an Angestellten – allein für den Friedhof Weißensee seien es 25. Gleichzeitig machten beide Friedhöfe im vergangenen Jahr ein Defizit von über 320.000 Euro. Die Gemeindevertreter stehen vor harten Entscheidungen. PHILIPP GESSLER