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Archiv-Artikel

Mit Libyen zur Fußball-WM

Durch sportliche Großveranstaltungen wie Afrika-Cup, Handball-WM und möglichst die Fußball-WM 2010 will Tunesiens Präsident Ben Ali die junge Bevölkerung seines Landes hinter sich bringen

AUS TUNIS OKE GÖTTLICH

Linientreue ist Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali gewohnt. Wahlen gewinnt er stets mit einem Neunundneunzig-Prozent-Ergebnis. Die ballonseidene Jogginganzugskollektion, die man beim Afrika-Cup in den Stadien bewundern kann, dürfte ihm dennoch besonders gefallen. Sein Konterfei verziert den gesamten Rückenbereich und demonstriert, was Ben Ali von der Verbindung zwischen Sport und Politik erwartet. Seit Jahren versucht er mit Hilfe des Sports die junge Bevölkerung zu begeistern. Najed Braham, Stürmer der Nationalelf, strahlt denn auch, wenn er sagt: „Unser Präsident macht alles für uns. Sport ist sehr wichtig in diesem Land.“ Tunesien investiert in Sportplätze und die Bewerbung für internationale Sportereignisse. 5,5 Millionen Euro ließ sich das Staatsoberhaupt allein die spektakuläre Eröffnungsfeier der 24. Afrikameisterschaft kosten.

Mit den Afrikameisterschaften in diesem Jahr und den Handball-Weltmeisterschaften 2005 (24. Januar bis 6. Februar) stehen bereits zwei Großveranstaltungen auf der Agenda, die es dem Präsidenten ermöglichen, im großen Stil in die sportliche Infrastruktur des Landes zu investieren. Dabei setzt Ben Ali nicht auf private Investoren, sondern lässt die großen Komplexe, wie jenen im Tuniser Stadtteil Rades, ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanzieren. Das „Centre Olympique“ bietet neben einem 65.000 Zuschauer fassenden Fußballstadion mit Tartanbahn eine Schwimmhalle, ein Leichtathletikstadion, ein olympisches Dorf für 3.500 Bewohner und eine im Bau befindliche Halle für die Handball-WM mit einem Fassungsvermögen für 12.000 Zuschauer. Insgesamt dürften die Kosten dieses Komplexes um die 170 Millionen US-Dollar liegen. Mit der Handball-WM will Tunesien allen Kritikern beweisen, ein Turnier auf höchstem Niveau durchführen zu können. „Diese Veranstaltungen geben Tunesien neue Möglichkeiten für künftigen Erfolg“, so Ben Ali im Juli 2003.

Ben Ali selbst legte am 15. Juni 2003 den Grundstein der „Halle des 7. Novembers“, die nach seinem friedlichen Putsch im Jahre 1987 benannt ist. Der zweite Neubau in Monastir ist bereits zu 95 Prozent fertig gestellt. Fünf Millionen Dollar investierte Tunesien zudem in die Modernisierung der Hallen in Nabeul-Hammamet, Sousse, Sfax, Mahdia, Tabarka und Ain-Draham.

Beim Afrika-Cup organisierte der ambitionierte nordafrikanische Staat bezahlte Journalistenreisen zum Eröffnungsspektakel, um auch ausländische Medien von den professionellen Rahmenbedingungen zu überzeugen. Einen tieferen Einblick in die politischen Zusammenhänge des beliebten Urlaubslands konnten sie nicht gewinnen. Denn hinter der freiheitlichen Fassade verbirgt sich ein Staat mit einem repressiven Klima. Das Land gilt als wichtiger Partner Europas und Amerikas im Kampf gegen den islamischen Fundamentalismus in Afrika. Amnesty international kritisiert, dass dieser „Antiterrorkampf“ auch als Vorwand für die Verfolgung von missliebigen Oppositionellen benutzt werde. „Das Land ist ein rechter Polizeistaat mit diktatorischen Zügen, und die Menschenrechte werden hier mit Füßen getreten“, sagt Helga Lindenmaier von amnesty international. In Tunesien herrsche keine Pressefreiheit, und die Zeitungen üben sich zudem in Selbstzensur. Ein tunesischer Journalist, der die Regierung leise für die hohen Ausgaben „des teuersten Afrika-Cups der Geschichte“ kritisiert, möchte nicht namentlich genannt werden.

Einer gemeinsamen Bewerbung Tunesiens und Libyens um die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaften 2010 hat Fifa-Präsident Joseph Blatter bereits eine Absage erteilt. „Die WM wird nur an einen ausrichtenden Verband vergeben“, verkündete er. Dennoch werben beide Länder während des Afrika-Cups auf Banden für die Kandidatur. Offenbar soll Tunesien als Türöffner Libyens bei der angestrebten Rückkehr in die Weltpolitik dienen. Im Jahr 2000 nahm Tunis Air als erste Fluggesellschaft den Verkehr nach Libyen auf und brach so die internationale Blockade. Im vergangenen Jahr vereinbarten beide Staaten den Bau von zwei Öl-Pipelines.

Die Worte des tunesischen Fußballverbandspräsidenten Ben Ammar („Libyen hat das Geld und wir die Infrastruktur“) in Hinblick auf die gemeinsame Bewerbung werden aufgrund dieser engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit verständlicher. Für Ben Ali scheint hinter Tunesiens Bemühungen weit mehr zu stecken als die ehrenhafte Ambition, „unser Land den noblen olympischen Werten zu widmen“.