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Archiv-Artikel

Typisches Diktatorenfernsehen

Vom Langeweiler-Programm zum Sympathieträger in der arabischen Welt: Irak TV setzt auf Heldenlegenden

Das staatliche irakische Satellitenfernsehen hatte bisher nicht viele Fans. Kein Wunder. Sein Vorkriegsprogramm zeichnete sich in erster Linie durch besonders brutale Kindercomics und immer wiederkehrende Lobesgesänge auf Saddam Hussein aus.

In den ersten Tagen des Krieges ist der Sender, der unter strikter Kontrolle des irakischen Informationsministeriums steht, jedoch zu einer wichtigen Nachrichtenquelle geworden. Das Programm besteht zwar weiterhin größtenteils aus tanzenden Beduinenchören, die die Stärke und Fürsorge ihres Führers preisen. Doch die Sendungen werden immer wieder unterbrochen: Hier laufen die – zuvor aufgezeichneten – Ansprachen Saddam Husseins, und über Irak TV wendet sich die irakische Führung an die Weltöffentlichkeit. Denn das eigene Volk kann dieses Programm nicht sehen: Satellitenschüsseln sind im Irak verboten. Das „inländische“, über TV-Antenne zu empfangende Fernsehen bringt seit Kriegsbeginn jedoch ein recht ähnliches Programm: Nachrichtensprecher, zum Teil in Uniform, verlesen offizielle Bekanntmachungen. Am Sonntag wurde beispielsweise die Gefangennahme amerikanischer Soldaten bekannt gegeben – die Bilder übernahm anschließend der unabhängige Nachrichtensender al-Dschasira aus Katar.

Am Montag gelang Irak TV dann wieder eine Sensation: Der Nachrichtensprecher verkündete den angeblichen Abschuss eines amerikanischen Apache-Hubschraubers. Das Hauptquartier der britischen und amerikanischen Koalitionsstreitkräfte äußerte sich zunächst nicht zu dieser Behauptung. Doch dann brachte Irak TV auch noch die Bilder: Die Hightech-Waffe lag abgestürzt im Feld, daneben ein Bauer mit Flinte. Er habe den Helikopter abgeschossen – David gegen Goliath. Ob diese Version stimmt, ist mehr als fraglich. Doch die Bilder vom kaum beschädigten Fluggerät wurden sofort von den internationalen TV-Stationen übernommen.

Irak TV liefert auch die Aufnahmen verletzter Zivilisten in den Krankenhäusern, überträgt die Pressekonferenzen ihres Informationsministers live – und präsentiert immer wieder kampfesmutige irakische Soldaten. Der Staatssender zeigt der Welt das Bild eines tapferen Volkes, das sich trotz des vielfach überlegenen Gegners mutig verteidigt.

Hier wird an Legenden gestrickt fürs eigene Volk und für die Zuschauer in den arabischen Nachbarländern. Bisher haben sie nicht viel von dem einseitig langweiligen Programm gehalten. Die Vorstellung aber, dass es den Irakern gelingt, Widerstand gegen die Übermacht USA zu leisten, bringt jetzt nicht nur dem Volk, sondern auch dem Sender Sympathien ein.

JULIA GERLACH