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Archiv-Artikel

Die USA sollen den Wiederaufbau zahlen

Die UN-Charta kennt bisher keine Regel, wie mit den Folgen eines völkerrechtswidrigen Kriegs umzugehen ist

GENF taz ■ Zwischen den Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates findet seit dem zweiten Kriegstag eine Debatte statt über die Frage, von wem, mit welchem Geld und unter welchem Mandat Irak nach dem Krieg wieder aufgebaut werden soll. Diese Frage ist auch deshalb so umstritten, weil sie zwar theoretisch, aber kaum in der Praxis zu trennen ist von der Frage, wer Irak verwalten soll, bis eine frei gewählte Regierung eines Tages in Bagdad die Amtsgeschäfte übernimmt.

In der UNO-Charta wird der aktuell vorliegende Fall eines völkerrechtswidrigen Krieges mit dem ausdrücklich erklärten Ziel, die Regierung des angegriffenen Landes zu stürzen, nicht geregelt. Und auch die Geschichte der UNO kennt keine Präzedenzfälle, auf die sich die Mitglieder des Sicherheitsrates in der aktuellen Debatte berufen könnten. Im zweiten Golfkrieg – dem einzigen jemals von der UNO völkerrechtlich legitimierten Krieg – gab es kein Mandat für den Sturz der Regierung Saddam Hussein. Diejenigen Eingriffe der UNO mit Blauhelmtruppen, die über die Überwachung von Waffenstillstandsabkommen hinausgingen, erfolgten in Staaten, zwischen und innerhalb denen Krieg oder Bürgerkrieg herrschte (z. B. Ex-Jugoslawien), die über keine funktionierende, im ganzen Land anerkannte Zentralregierung mehr verfügten (z. B. Somalia, Kambodscha, Ruanda) oder die sich in der Phase des Übergangs von der Kolonie zu einem eigenständigen Staat befanden. Bei den unilateralen, völkerrechtswidrigen Kriegen der USA (in Vietnam) und der Sowjetunion (in Afghanistan) zogen sich die Aggressoren nach ihrer militärischen Niederlage zurück und überließen das zerstörte Land seinem Schicksal.

Im Fall des Irakkrieges vertrat UNO-Generalsekreätr Kofi Annan zunächst einmal die Grundsatzposition, wonach laut Völkerrecht die Aggressoren – also die USA und Großbritannien – auf jeden Fall für die Finanzierung des Wiederaufbaus verantwortlich sind. Ähnlich sehen das Frankreich, Russland und China sowie auch die meisten der zehn nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrates. Erste Schätzungen der UNO für den Fall eines kurzen Krieges gingen von Wiederaufbaukosten in Höhe von mindestens 30 Milliarden US-Dollar aus. Die Bush-Administration und die britische Regierung weigern sich, die Wiederaufbaukosten zu übernehmen. Zugleich hat Washington jedoch bereits Aufträge in Höhe von mindestens 1,9 Milliarden US-Dollar verteilt – an ausschließlich US-amerikanische Firmen. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die im Ölsektor und anderen profitablen Wirtschaftsbereichen tätig sind. Was fehlt, sind Aufträge zur Wiederherstellung des in weiten Teilen Iraks zerstörten Trinkwassersystems.

Bei der Auftragsvergabe an US-amerikanische Firmen geht die Bush-Administration davon aus, dass sie Irak nach Ende des Krieges zunächst einmal für eine gewisse Zeit alleine verwalten und kontrollieren wird. Hierfür will die Bush-Administration, unterstützt von der britischen Regierung, allerdings ein Mandat des Sicherheitsrates. Auf diese Weise soll dem völkerrechtwidrigen Krieg zumindest der nachträgliche Anschein einer Legitimierung durch die UNO verliehen werden.

Die französische Regierung hat das Ansinnen aus Washington und London allerdings entschieden und öffentlich zurückgewiesen. Russland und China haben zumindest intern ihre Ablehnung bekundet. Eine ähnlich klare Position der deutschen Bundesregierung ist bislang noch nicht bekannt geworden. In der rot-grünen Koalition gibt es Erwägungen, der Bush-Administration zumindest in der Frage der Finanzierung des Wiederaufbaus entgegenzukommen.

Dies, so wird argumentiert, könne dazu beitragen, das angeschlagene Verhältnis zwischen den Regierungen Schröder und Bush wieder zu verbessern. Aus ähnlichen Gründen umstritten ist im Sicherheitsrat auch die Frage der Finanzierung, Zuständigkeit und operativen Durchführung der jetzt unmittelbar notwendigen humanitären Versorgung der irakischen Zivilbevölkerung. ANDREAS ZUMACH