: Türkei bekommt Zuckerbrot von der EU
Brüssel will Beihilfen erhöhen, warnt jedoch, dass ein Einmarsch in den Irak die Beitrittschancen verschlechtern würde
BRÜSSEL taz ■ Die Botschaft aus Brüssel lautete gestern: Wohlverhalten wird honoriert. Die EU-Kommission schlug vor, die Vorbeitrittshilfen für die Türkei zu verdoppeln. Gleichzeitig wurden neue Kriterien formuliert, wie die innere Reform nach den Erwartungen der EU weitergehen muss. „Ich bedaure sehr, dass wir die Diskussion darüber im Schatten des Irakkrieges führen mussten. Die neu formulierte Beitrittspartnerschaft soll die reformwilligen Kräfte in der Türkei ermutigen, von ihrem Weg nach Europa nicht abzulassen“, begründete Erweiterungskommissar Günter Verheugen die Entscheidung, das Thema nicht bis Kriegsende zu verschieben. Nach der Methode Zuckerbrot und Peitsche wird die EU in den Jahren 2004 bis 2006 insgesamt 1,05 Milliarden Euro an die Türkei zahlen und damit eine deutliche Warnung verbinden. „Die Ereignisse der letzten Wochen haben ins Bewusstsein gerufen, dass die Rolle der Militärs in der Türkei künftig den Standards entsprechen muss, die in anderen Mitgliedsstaaten gelten“, sagte Verheugen. Dann sprach er Klartext: „Ich erwarte, dass bei außen- und sicherheitspolitischen Aktionen die fundamentalen Interessen der europäischen Position berücksichtigt werden. Jedes Eindringen in den Irak ist unerwünscht und fließt in die Beurteilung der Beitrittsreife ein.“
Kommenden Herbst wird die Kommission den nächsten Fortschrittsbericht über die verbleibenden Kandidatenländer Rumänien, Bulgarien und Türkei vorlegen. Dann soll der erreichte Stand an den jetzt neu formulierten Kriterien gemessen werden.
Große türkische Defizite sieht die Kommission weiterhin beim Kampf gegen die Folter, bei der Umsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und bei den Grundfreiheiten auf Meinungsäußerung, Bildung von Vereinigungen und Religionsausübung.
Auf die Frage, ob mehr Geld für die Türkei zum jetzigen Zeitpunkt das richtige Signal sei, reagierte Verheugen verärgert. Im Vergleich zu Polen, das jährlich eine Milliarde Euro an Vorbeitrittshilfen erhalte, seien die bisher jährlich gezahlten 177 Millionen für die Türkei zu wenig, die doppelte Summe keineswegs üppig. Im Jahr 2004 soll die Türkei 250 Millionen Euro erhalten, 2005 300 Millionen und 2006 eine halbe Milliarde. „Ich glaube nicht, dass die Türkei uns einen Anlass gegeben hat, die Vorbeitrittshilfe auf Eis zu legen“, betonte der SPD-Politiker.
DANIELA WEINGÄRTNER