: Reise zur „Wahrheit der Wörter“
Temmen, Rössler, Manholt und die „Horen“: Bremer und Bremerhavener Beiträge zur Leipziger Buchmesse. Dort gab es gute Stimmung, aber wenig Geschäftsabschlüsse
Unterschiedlich sind die Beweggründe der Bremer Verlage, für die ein Frühjahrsausflug nach Leipzig zur Pflicht gehört. Unisono aber ist das Fazit: In Zahlen lässt sich der Erfolg bei der Buchmesse im Osten kaum ausdrücken.
Ihr Vorzug im Vergleich zur auf Geschäftsabschlüsse konzentrierten Herbstveranstaltung in Frankfurt ist die bessere Stimmung. Grund dafür sei das Profil als Lesemesse, sagt Johann Tammen. Für ihn ist Leipzig „der bedeutendere Standort“. Die Menschen würden ganz bewusst zur „Wahrheit der Wörter“ gekommen, so der Herausgeber der in Bremerhaven erscheinenden Literatur-Zeitschrift „die horen“.
Damit zieht Tammen das euphorischste Fazit der hanseatischen Repräsentanten auf der Bücherschau. Ebenfalls mit einem Stand in Leipzig präsent waren in diesem Jahr der Kinderbuchverlag Rössler und die Edition Temmen. „Zum einen haben wir zahlreiche Autoren aus Ostdeutschland“, erläutert Temmen-Sprecher Christoph Schottes. „Und zum anderen verlegen wir die Schriften der Birthler-Behörde.“ Die Veröffentlichungen der Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes erscheinen seit vergangenem Jahr bei Temmen.
Im Rahmen dieser Reihe fand auch eine Buchpremiere statt. Vorgestellt wurde eine Studie über den 17. Juni 1953 in Halle – anlässlich des 50. Jahrestages des Unruhen. Schottes: „Bisher war der Aufstand fast ausschließlich mit Blick auf Berlin beschrieben worden.“ Die wissenschaftliche Arbeit weise nach, dass auch die Provinzen Ostdeutschlands an dem Protest Teil hatten.
„Wir hatten einen schönen Eckstand gegenüber der Druckwerkstatt“ beschreibt Anja Lösch vom vor zwei Jahren in Bremen (zweiter Standort: Osnabrück) gegründeten Rössler-Verlag. Dadurch hätten auch zahlreiche Kinder und Jugendliche das Sortiment wahrgenommen. „Da werden ganze Schulklassen und Kindergärten durchgeschleust.“
Entsprechend gut besucht seien die Lesungen gewesen. Im Gepäck hatte sie gleich zwei Neuerscheinungen: „Christians Abenteuer“, das Eva Peuckert für Kinder ab fünf Jahren verfasst hat und „Piratengeschichten“ des dänischen Autoren Glenn Ringtved. Wegen des starken Publikumsinteresses sei Leipzig die „schönere“ Buchmesse – „aber Frankfurt ist wichtiger“.
Erstmals, wenn auch nicht mit eigenem Stand, war auch der auf französische Literatur spezialisierte Manholt-Verlag mit Sitz im Fedelhören in Leipzig vertreten. Ein Agent hatte die mit Spannung erwartete Neuerscheinung, eine Übersetzung von Marguerite Yourcenar, präsentiert.
Benno Schirrmeister