: Rambazamba in Vegesack
Der Bremer Norden hat einen neuen Konsumtempel. Haven Höövt spaltet die Bevölkerung. Kritiker aus der Innenstadt sollen deshalb mit einer Markthalle besänftigt werden. Für das Privatprojekt könnte es sogar Zuschüsse geben
taz ■ In Vegesack steppte gestern Morgen der Elch. In Scharen strömten die Massen zum Hafenbecken, magisch angezogen von frisch eröffneten Shopping-Center „Haven Höövt“, direkt zwischen Bahnhof und Weser. „Eine neue Form des erlebnisorientierten Einkaufs“ nennt der Hamburger Investor Frank Albrecht seine Immobilie. Kosten: 90 Millionen Euro. Das Erleben beschränkt sich noch auf hemmungsloses Einkaufen auf zwei Etagen. Anfang nächsten Jahres soll auch das Gebäude mit Kino, Fitness-Studio, Disco und einer Bowlingbahn stehen.
Ein Ereignis war die Eröffnung trotzdem. Von rund 60 Läden öffneten gestern 45. Bis auf drei bis vier seien jedoch alle Flächen vermietet, betonte Albrecht. Auch Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer reibt sich die Hände: „Ich habe reichlich Auto-Kennzeichen aus dem Umland gesehen.“
Dann will er beobachtet haben, wie sich sogar Shopper in der Vegesacker Fußgängerzone verloren. „Das sind die Effekte, die wir vorausgesagt haben.“
Kammeyer sieht sich darin bestätigt, dass von dem Shopping-Paradies am Hafen auch die Einzelhändler in der Fußgängerzone profitieren werden. Doch die befürchten genau das Gegenteil. Nach zwanzig Jahren schließt jetzt der Kinderschuh-Händler Jürgen Klaus Hoppe sein Geschäft.
Mit den großen Ketten im Haven Höövt könne er nicht konkurrieren. Die Umsätze seien ohnehin nicht mehr so gut wie früher. Hoppe: „Und das hat uns den Rest gegeben.“ Die Hoffung des Ortsamtsleiters, dass neue Kundschaft hinzukommt, hält er für illusorisch – wie viele Kollegen.
Besänftigt werden sollen die Vegesacker Geschäftsleute jetzt durch die Neugestaltung der Fußgängerzone und des Sedanplatzes am oberen Ende der Fuzo. Kosten: über sechs Millionen Euro. Diesen Plänen haben gestern die Wirtschaftsförderungsausschüsse zugestimmt. Und damit die Shopper auch wirklich einen Grund haben, den Weg hinauf zum Sedanplatz zu laufen, soll dort eine zweistöckige Markthalle entstehen, in der vor allem getrunken und gespiesen werden kann. Wer die baut, steht bereits fest: Haven Höövt-Investor Frank Albrecht. Der hat auch bereits einen Architekten beauftragt. Laut Ortsamtsleiter Kammeyer soll am 29. April das Bebauungsverfahren starten. Im Frühjahr könnte das Gebäude fertig sein.
Dass sich auf dem heruntergekommenen Sedanplatz etwas tut – darüber sind alle froh, auch Kritiker wie Kinderschuh-Händler Hoppe, der sich eine Aufwertung des in seinen Worten „abgefuckten“ Stadtteils wünscht. Auch der Beirat begrüße zwar die Pläne, sagt Rainer Buchholz von der CDU. „Aber wir haben nicht Hurra geschrien.“ Das Problem sei, dass die Planungen der Markthalle abgekoppelt sind von einem Gesamtkonzept für den Sedanplatz. Die Markthalle werde eine „bestimmende Größe“, nach der sich alles andere richten muss. „Aber wir haben keine andere Wahl – Hauptsache, da passiert endlich etwas“, sagt der Beiratspolitiker.
„Wir arbeiten mit Herrn Albrecht sehr gut zusammen“, bemüht sich Siegmar Stintzing von der Gesellschaft Stadtentwicklung Vegesack (STAVE) die Bedenken zu zerstreuen, dass die Politik jede Kontrolle über das Vorhaben verloren hat. Und alle nur noch zustimmen können, damit Albrecht nicht abspringt.
Die Politik sei auf jeden Fall wieder gefragt, wenn öffentliche Zuschüsse nötig werden, meint Stintzing. Nämlich dann, wenn der „Politik“ der Entwurf nicht zusagt – und das Privatprojekt deshalb mit Mehrkosten aufgehübscht werden muss.
Eiken Bruhn