: Ein komplexes Medium
Maik Schlüter hört als Leiter des Photomuseums Braunschweig auf – wegen Diskrepanzen mit dem Vorstand. Dieser, so Schlüters Vorwurf, betreibe Braunschweiger Proporz, anstatt eine internationale Perspektive zu entwickeln
„Bulletin“ ist ein französisches Wort und bedeutet unter anderem „Nachrichtenblatt“, auch wenn das Bulletin hierzuland meistens von kulturellen Dingen ohne journalistischen Nachrichtenwert handelt. Das Photomuseum Braunschweig veröffentlicht zu jeder Ausstellung ein Bulletin mit acht Seiten, vom Format her etwas kleiner als die taz, gutes Papier, guter Druck. Die Braunschweiger Bulletins sind großzügig gelayoutet und enthalten neben einigen Fotos des gerade ausgestellten Fotokünstlers eine kunsthistorische Analyse von Maik Schlüter, dem Leiter des Photomuseums. Es wird diese Bulletins auch in Zukunft geben und sie werden sich vom Layout her nicht verändern. Einen Aufsatz von Maik Schlüter wird man darin aber nicht mehr finden.
Schlüter hat seinen Job als Leiter hingeworfen – wegen „schwerwiegender Diskrepanzen mit dem Vorstand“. Diese Diskrepanzen umfassen mehre Punkte, und einer davon ist, dass das Bulletin künftig nicht mehr von einer Leipziger, sondern von einer Braunschweiger Druckerei hergestellt wird – und zwar mit dem gleichen Erscheinungsbild, das wiederum ein Berliner Grafiker entwickelt hat.
Schlüter sagt, der Vorstand hätte hinter seinem Rücken und gegen seinen Willen den Vertragspartnern in Berlin und Leipzig gekündigt. Statt ein Netzwerk zu unterstützen und eine überregionale Perspektive einzunehmen, betreibe man nun „Braunschweiger Proporz“ und spare dabei nicht einmal Geld, so Schlüter. Außerdem wolle der Vorstand künftig jedes Jahr eine Mitgliederausstellung haben. „Das ist nicht in der Förderstruktur vorgesehen“, sagt Schlüter. Das Haus bekomme „knapp 200.000 Euro öffentliche Gelder, die per Beschluss des Landes und der Stadt für ein internationales, überregionales Programm vorgesehen sind. Das unprofessionelle Gebaren des Vorstandes demontiert die Programmatik.“
Michael Schwarz, der 1. Vorsitzende des Photomuseums, sagt, Maik Schlüter habe eine „ausgezeichnete Programmarbeit“ geleistet. Aber der Trägerverein des Photomuseums sei ein mitgliederbasierter Verein. Darin werde eine Mitgliederausstellung pro Jahr erwartet und die torpediere nicht gleich ein internationales Programm.
Außerdem sagt Schwarz, die Herstellung des Bulletins in Braunschweig sei deutlich günstiger, das Erscheinungsbild hätte man dem Berliner Grafiker abgekauft und wenn man Geldmittel einwerben wolle in einer Stadt wie Braunschweig, dann sei es den dortigen mittelständischen Unternehmen nicht zu vermitteln, dass man den Druckauftrag in einer anderen Stadt habe. „Die Unternehmen reden untereinander“, sagt Schwarz. „Hier kennt jeder jeden.“
Das Zerwürfnis zwischen Michael Schwarz und Maik Schlüter geht noch weiter, es gibt weitere Aspekte, mit größeren und kleineren Vorwürfen. Die Leitungsstelle wurde derweil längst wieder ausgeschrieben: Das Photomuseum sei „eine Institution, die dem komplexen Medium der zeitgenössischen Fotografie ein anspruchsvolles Forum bietet“, heißt es in der Ausschreibung. Ein Umzug des künftigen Leiters nach Braunschweig „wird erwartet“. KLAUS IRLER